BVG-Mann vor Gericht : „Wolfgang, was soll das denn?“
Arbeitslos, geschieden, kein Kontakt zu den Kindern. Wolfgang G. kann einem Leid tun. Mit brüchiger Stimme erzählt der ehemalige Service-Mitarbeiter der BVG, wie das war im April 2004, als seine Hand sich in das Gesicht eines jungen Mannes verirrte: Er und sein Kollege Klaus P. saßen im Verkaufsraum hinter ihren Schaltern. Da kam ein Kunde zu Klaus P. und wollte sich eine schriftliche Anfrage quittieren lassen. Der Kollege wollte aber nicht unterschreiben, da machte der Kunde, ein Rechtsreferendar, Rabatz. Minutenlang. Juristen lassen sich nichts gefallen.
Wolfgang G. wurde es dann zu bunt, da ist er rübergegangen, um den erbosten Kunden rauszuschmeißen. Der ging aber nicht. Wolfgang G. setzte sich wieder hinter seinen Schalter. Kurz darauf beugte sich der Anwalt in spe über den Tresen. Um etwas vom Monitor abzulesen, vermutet Wolfgang G. heute. Um sich Beschimpfungen zu notieren, sagt der junge Rechtsreferendar. Nur eine Reflexbewegung habe die geheimen Informationen geschützt, so der Angeklagte. „Er ist aufgestanden und hat mir kräftig ins Gesicht geschlagen“, meint hingegen der Möchtegernanwalt.
Endlich wird es ein bisschen komisch im Gerichtssaal. Der Nachwuchsjurist muss zugeben, dass es eigentlich nicht wehtat und seine Brille problemlos wieder gerichtet werden konnte. Dann wird eine Zeugin aufgerufen, die kaum Deutsch spricht und mit Amtsdeutsch völlig überfordert ist. Nach ihr hat Klaus P., der Kollege, seinen Auftritt: Vom Schlag hat er nichts mitbekommen, sein Hörgerät versagte den Dienst. Nur als er sah, wie der Kunde sich das Gesicht hielt, da hat er gefragt: „Wolfgang, was soll das denn?“
Irgendwann hat der Richter ein Einsehen, beendet den Prozess und verurteilt Wolfgang G., den die BVG nach dem Vorfall entlassen hatte, zu 1.500 Euro Geldstrafe. „Das ist ja mehr, als ich an Arbeitslosengeld bekomme“, findet der. „Das ist Absicht“, sagt der Richter. Mit der Entlassung war der 53-Jährige ohnehin hart bestraft. CHRISTO FÖRSTER