: Ein leiser Nachruf
So viel Erinnerung muss sein: Heute vor 60 Jahren wurde der Theologe Dietrich Bonhoeffer im KZ ermordet
Harald Juhnke, Fürst Rainier und – Sie wissen schon. Es gab in den vergangenen knapp acht Tagen ein bisschen viele Tote zu beklagen, nicht wahr? Aber einen Verstorbenen müssen wir dann doch noch nachholen, denn er ist es wert. Sorry, wenn es wieder jemand aus der Kirche ist: der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, der heute vor 60 Jahren im Konzentrationslager Flossenbürg erhängt wurde. Weniger als einen Monat vor Kriegsende.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, hat Bonhoeffer jetzt einen „evangelischen Heiligen“ genannt – was fraglich ist, denn der Protestantismus hat sich aus gutem Grunde immer von der Heiligenverehrung fern gehalten. Aber wenn man „Heilige“ als Menschen definiert, die, unabhängig von Konfession oder Religion, aufgrund ihres Glaubens etwas Heilbringendes und Mutiges geleistet haben, dann stimmt das schon. Bonhoeffer, der vielleicht bedeutendste protestantische Theologe des 20. Jahrhunderts, steht da auf einer Stufe mit Martin Luther King oder Mahatma Gandhi.
Der Geist weht eben, wo er will, wie uns die Bibel sagt. Es ist schade, dass die Scheinwerfer, die derzeit auf den Papst gerichtet sind, alles andere umso mehr in den Schatten rücken, denn Bonhoeffer hat uns mit seiner Theologie heute viel mehr zu sagen als die Glaubens- und Morallehre eines Karol Wojtyła. Aber so ist es eben – und man kann einigermaßen zuversichtlich sein, dass Bonhoeffer, wenn der Hype um den Papst sehr schnell verflogen ist, wieder da ist mit seinen Gedanken und seinem vorbildlich standhaften Leben im Zeichen einer Diktatur.
„Von guten Mächten wunderbar geborgen“, so lautet sein Gedicht, das er 1944 in der Haft geschrieben hat, und es wird die Zeiten eher überleben als die Poesie des Papstes. Es ist ein leises Gedicht, das zu lesen in dieser Zeit überbordender Gefühle durchaus angemessen wäre.
Der Papst-Biograf Jan Roß hat einmal geschrieben, dem Papst habe eine Ökumene der Heiligen aller Konfessionen vorgeschwebt, zu der auch Bonhoeffer gezählt hätte. Mag sein. Gern wäre man dabei, wenn die beiden sich im Himmel „Grüß Gott“ sagen. PHILIPP GESSLER