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Archiv-Artikel

So traurig und so verletzlich

DOKUMENTARFILM Der Wahlberliner Yony Leyser porträtiert in seinem Film „A Man Within“ William S. Burroughs, die Kultfigur der Beat-Generation

VON DETLEF KUHLBRODT

Die Beatniks inszenierten sich als Helden ihrer eigenen Werke. Kerouac, Ginsberg, Burroughs waren gleichzeitig Schriftsteller und Romanfiguren, mit denen sich die meist jugendlichen Leser identifizieren konnten.

Die einzelnen Werke waren Teil eines größeren, kollektiven, sozusagen bandmäßigen Oeuvres, in dem die Autoren als literarische Figuren wieder auftauchten und sich als Teil einer alternativen Geschichte inszenierten. Sie riefen zum Mitmachen auf und suggerierten den Lesern, sie könnten als Konsumenten des Beatnikgesamtpakets Teil dieser aufregend dissidentischen Gegengeschichte sein.

Angesichts dessen, dass die drei bekanntesten Beatbücher in den fünfziger Jahren spielten, also im gegenwartssüchtigen Stream of consciousness etwas beschrieben, was in der Zeit ihres Erscheinens längst vergangen war, ist es bemerkenswert, dass bis heute immer wieder Bücher und vor allem Filme über die Beatgeneration erscheinen. Nun kommt die Dokumentation des 25-jährigen, zurzeit in Berlin lebenden Yoni Leyser „William S. Burroughs – A Man Within“ in die Kinos.

Sein Held, der 1914 in St. Louis geborene und 1997 verstorbene Spross einer reichen Fabrikantenfamilie, war der Inbegriff des Coolseins. Mit der Zeit ging verloren, dass der Begriff aus der Drogenszene kam. Cool war der, der keine Gefühlsregungen zeigte. Opiate machen gefühlskalt, so sagt man. Zum Schreiben kam Burroughs, nachdem er 1951 versehentlich beim Wilhelm-Tell-Spiel seine Ehefrau Joan Vollmer erschoss. Bereits in den Kerouac-Romanen aus den 60er Jahren wird er als alter, aristokratischer Junkie beschrieben und galt schon in den Anfangszeiten der Beats als deren Elder Statesman.

Ihn in einem Film zu porträtieren ist naheliegend. Material gibt es in Hülle und Fülle. Seit Mitte der 60er Jahre spielte er in 17 Spiel- und in 30 Dokumentarfilmen mit, von denen die Tilsiter Lichtspiele einige zum Filmstart von „A Man Within“ zeigt. Den legendären Drogenfilm und Programmkinoklassiker „Chappaqua“ (1966) von Conrad Rooks mit Allen Ginsberg und Ravi Shankar etwa, „ The Final Academy Documents“ (1982) von Anthony Balch und die deutsche Dokumentation von Klaus Maeck „William S. Burroughs – Commissioner of Sewers“ (1991) mit Ausschnitten von Burroughs-Lesungen (unter anderem im Filmkunst66) und einem Interview mit dem deutschen Beatschriftsteller und Expiloten Jürgen Ploog, dem man beim Gespräch die Ehrfurcht vor Burroughs sehr anmerkt.

Die schöne Passage, in der Burroughs „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ singt, verwendet auch Yoni Leyser in seinem Film, der vor allem aus viel Archivmaterial und Interviews mit berühmten Heroen exzessorientierter Kulturbewegungen der 70er und 80er Jahre besteht: Iggy Pop, Patti Smith, den Musikern von Sonic Youth, Jello Biafra, Genesis P. Orridge, mit David Cronenberg, der den Roman „Naked Lunch“ in den 80ern verfilmt hatte, mit Peter Weller, der Burroughs in dem Film gespielt hatte, mit John Waters, dem Burroughs-Nachlassverwalter James Grauerholz, Ex-Liebhabern.

Patti Smith erzählt, wie sie davon geträumt hatte, Burroughs zu heiraten, Genesis P. Orridge, der hier fast noch besser aussieht als in dem tollen Dokumentarfilm „The Ballad of Genesis and Lady Jaye“, spricht sehr einfühlsam über den Schriftsteller – „er war so traurig und verletzlich“, in der Fassade souverän, in Liebesdingen ungeschickt. Iggy Pop sucht nach Burroughs-Stellen in seinem Ouevre. John Waters sagt den schönen Satz: „Hat jemand ‚Naked Lunch‘ gelesen und danach Heroin probiert? Klar!“ Die Toten werden thematisiert – Joan Vollmer und Burroughs’ Sohn William, der beim Versuch, ein Teil der tollen Beatnikfamilie zu werden und seinem Vater zu imponieren, mit 33 am Alkohol zugrunde ging.

Burroughs als Waffennarr, der die Waffe präsentiert, die ihm ein anderer Waffennarr – Hunter S. Thompson – mal geschenkt hatte, Burroughs als späterer Shotart-Künstler, Burroughs als exogam orientierter Schwuler, der sich möglicherweise für seine sexuelle Orientierung hasste, Burroughs als Katzenliebhaber.

Besonders anrührend sind die am Küchentisch in den 90er Jahren aufgenommenen Gesprächspassagen zwischen Burroughs und Allen Ginsberg. Den Tod von Ginsberg, in den er lange unerwidert verliebt war, überlebte Burroughs nur kurz. Sein letzter hingekrakelter Satz: „Liebe? Was ist das? Das beste Schmerzmittel der Welt.“ Einerseits ist der Film toll, andererseits ein irgendwie auch erschreckend routiniertes Fan-Porträt, in dem nur Bewunderer und Freunde von Burroughs zu Wort kommen, in dem leider auch ausgespart wird, dass Burroughs Ende der 80er, als er zusammen mit Tom Waits und Robert Wilson das Theaterstück „The Black Rider“ herausbrachte, Teil der Hochkultur war.

■ „William S. Burroughs. A Man Within“. Dokumentarfilm, Regie: Yony Leyser. USA 2010, 91 Minuten

■ Nächste Vorstellung Mittwoch 20 Uhr, Moviemento

■ Am 13. Januar ist der Regisseur zum Gespräch im Cinema