„Leben in Grenzverletzung“

Uni-Vortrag über Drogenprostitution in St. Georg

■ 50, Krankenschwester und Geschäftsführerin von ragazza, Beratungsstelle für drogenabhängige Prostituierte in St. Georg.

taz: Frau Greb, sind Drogen-Prostituierte ein vergessenes Thema?

Gudrun Greb: Wie kommen Sie auf die Idee?

Man spricht über Bordell-Prostitution, nicht aber über den Drogen-Straßenstrich.

In der Hamburger Basisdokumentation von 2010 sind 15.000 Menschen erfasst, die Drogenkonsumenten sind. Von denen prostituieren sich mindestens 5.000, um ihren Konsum zu finanzieren.

Wenn das Problem so verbreitet ist, warum wird es nicht öffentlich diskutiert?

Ich glaube, es lässt sich mit diesem Thema nicht so gut Politik machen. Es wird eher über Kontaktanbahnungsverbote für Freier hier im Sperrgebiet St. Georg debattiert. Die Menschen dahinter, die sich verkaufen, um ihre Sucht zu finanzieren, werden nicht wahrgenommen. Es würde nämlich eine ganz andere Debatte öffnen, über Gesundheit, Krankheit und was das Leben von konsumierenden Menschen ausmacht. Da ist es einfacher, weiterhin nur vom „kriminellen Milieu“ zu sprechen.

Warum arbeiten die Frauen nicht auf St. Pauli, wo Prostitution zu bestimmten Nachtzeiten erlaubt ist?

Ein Arbeitsplatz in einem Bordell kostet Geld. Die Frauen aber verbrauchen den größten Teil ihres Verdienstes. Und für einen Zuhälter sind sie nicht wirtschaftlich, weil für ihn nichts übrig bleibt.

Eine Existenz in Illegalität ohne jeglichen Schutz?

Zumindest ein Leben in alltäglicher Grenzverletzung. Sie haben aber den Schutz der Öffentlichkeit und Einrichtungen wie unsere. INTERVIEW: EFK

„Die Würde ist unantastbar und das ist auch so“: Vom Überlebenskampf drogengebrauchender SexarbeiterInnen, 19 Uhr, Universität Hamburg, Von-Melle-Park 5