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Archiv-Artikel

„Für einem Rücktritt sehe ich keinen Anlass“

Bildungssenator Böger ist ein Optimist: Auf dem SPD-Parteitag will er mehr Rückenwind als Gegenwind verspürt haben

taz: Herr Böger, wie geht’s Ihnen?

Klaus Böger: Gut.

Wirklich? Sie mussten auf dem SPD-Parteitag eine deutliche Niederlage einstecken. Ihre Partei hat sich in zentralen Fragen gegen Ihre Vorstellungen entschieden.

Nein, im Plural ist das falsch. Aber ich habe mich in der Tat in einem Punkt nicht durchgesetzt. Richtig ist aber auch: In der SPD auf Bundesebene findet meine Position für einen verbindlichen Werteunterricht mit Abwahlmöglichkeit breite Unterstützung. Zwar hat sich die Berliner SPD anders entschieden, aber sie hat noch eine wichtige Veränderung eingefügt: Es soll Kooperationen mit den Kirchen geben.

Auch die Debatte um das dreigliedrige Schulsystem wollten Sie nicht.

Ich bin und will nicht der Zuchtmeister sein, der darüber entscheidet, worüber diskutiert wird. Der Parteitag hat die Gemeinschaftsschule als langfristiges Ziel empfohlen und gleichzeitig sehr klar gemacht, dass es sich dabei um einen Prozess handelt, in dem man Eltern, Lehrer und Schüler gewinnen muss.

Die Partei ist Ihnen nicht gefolgt. Schwächt das nicht Ihre Position als Senator?

Nein, im Gegenteil. Ich habe Unterstützung durch den Leitantrag und viel Beifall für meine Rede erhalten. Insgesamt habe ich viel mehr Rückenwind als Gegenwind bekommen.

Die Opposition fordert Ihren Rücktritt, weil Sie als Senator nicht mehr glaubwürdig Politik machen können.

Das ist Polemik der CDU. Deren Sorge um meine Glaubwürdigkeit ist rührend. Eigentlich sollte die CDU doch froh sein, wenn es gemeinsame Schnittpunkte gibt.

Ist Rücktritt ein Thema?

Nein, dazu sehe ich keinen Anlass! Nach einer langen Debatte habe ich viele Veränderungen bewirkt. Meine Partei und ich wollen einen verbindlichen Werteunterricht mit Kooperationen mit den Religionen. Damit habe ich Spielraum, um eine gute Lösung zu entwickeln.

Können Sie diese Entscheidungen denn glaubwürdig und guten Gewissens umsetzen?

Vielen Dank für Ihre Fürsorge. Das ist doch keine Gewissensentscheidung. Wir bekommen ein verbindliches Wertefach. Der Religionsunterricht bleibt an den Schulen. In den Klassen 1 bis 6 ändert sich nichts.

2001 hat die SPD schon einmal die Einführung eines Wertefachs beschlossen, und Sie haben das nicht umgesetzt.

Von diesem Parteitagsbeschluss habe ich fast alles umgesetzt, was vorrangig war. Im neuen Schulgesetz haben wir auch in dieser Frage die Regelungen verankert, die in der Koalition zu diesem Zeitpunkt möglich waren. Wenn die Koalitionsfraktionen das jetzt aufnehmen, werden wir gemeinsam mit Fachleuten entsprechende Lehrpläne ausarbeiten und Lehrkräfte ausbilden. Mit dem Unterricht können wir frühestens im Schuljahr 2006/2007 starten. Ich denke, wir sollten mit der Klassenstufe 7 beginnen.

Und der Einstieg in die Gemeinschaftsschule?

Konkret ist heute eine Diskussion mit Betroffenen und Experten über die Gemeinschaftsschule beschlossen worden. In der Bildungspolitik lassen sich solche zentralen Veränderungen nicht von oben verordnen. Wir wissen, dass die Beteiligung vor Ort für ein solches Projekt gewonnen werden muss. Im Übrigen werden wir die Bildungseinrichtung Kita stärken und die Ganztagsgrundschulen ausbauen. Auch das sind richtige und wichtige Schritte zu mehr Qualität und Chancengerechtigkeit.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE