piwik no script img

Archiv-Artikel

Verführung zum Sammeln

Warum es viel gute, aber nur wenig teure Kunst gibt: Katja Blomberg klärt mit ihrem Buch „Wie Kunstwerte entstehen“ über die Wertschöpfungskette des Kunstmarkts auf

Der Kunstmarkt boomt wieder, und die Öffentlichkeit nimmt dies in einem viel stärkeren Maße zur Kenntnis als noch vor Jahren. Kunst zu sammeln ist interessant geworden, vor allem für eine neue Generation junger Kunstliebhaber. Katja Blombergs aktuelle Bestandsaufnahme des deutschen Kunstmarkts, seiner Akteure, Strukturen und Gesetze, „Wie Kunstwerte entstehen“, kommt da zur rechten Zeit. Die langjährige Kunstkorrespondentin und -autorin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die heute als freie Journalistin in Berlin – wo sonst, wenn es doch um die Kunst geht? – lebt, klärt aber nicht nur über den Kunstmarkt auf: Sie wirbt für das Sammeln.

Der geschmeidige Ton ihres Buchs, die kluge, kompakte Abfolge der Kapitel und die stets mit großer Sympathie verfassten Porträts wichtiger Figuren des Kunstmarkts und der Kunstszene sind auf Verführung angelegt. Dies ist nicht unstatthaft und sicher hoch willkommen, bei Galeristen wie bei Sammlern und nicht zuletzt bei den Künstlern und Künstlerinnen. Denn je größer der Kreis der Interessierten, desto höher ist die Liquidität des Markts, desto tiefer und breiter lässt sich Kunst verkaufen, aber auch wieder- und weiterverkaufen. Nach einer geschickten kursorischen Einführung über sensationelle Preise, sensationelle Auktionen und sensationelle Innovationen – etwa Kunst bei Aldi – geht es um die Frage: „Wie entwickeln bedeutende Kunstsammler Sensoren dafür, was über das Geschmacklich-Dekorative hinausführt und unsere Gegenwart kommentiert oder sogar Zukünftiges antizipiert?“

Kühl kontrastiert Blomberg die beiden Erben und Sammler Ingvild Goetz und Friedrich Christian Flick. Der Vergleich fällt nicht zugunsten des Letzteren aus. Gegen lange Jahre des Erfahrung-, aber noch nicht Kunstsammelns bei Ingvild Goetz steht die Sturzgeburt des Sammlers Flick; gegen das privat finanzierte und geführte Museum steht die mit öffentlichen Mitteln mitfinanzierte Ausstellung im staatlichen Museum. Dass bei solchen Arrangements beide Seiten gewinnen, ist nicht ausgemacht. Ein Wertzuwachs der Sammlungen ist sicher, konstatiert Blomberg, die Unabhängigkeit und Autorität der Museen aber sind eher in Gefahr.

Warum eigentlich sammelt jemand? Was ist von Fotografie, was von Video als Sammelschwerpunkt zu halten? Wo bewahrt man die Kunst auf? Was ist die Funktion von Messen? Wie sind die Galeristen untereinander vernetzt, wenn nicht gar familiär verbandelt? Weshalb wird der Preis für ein Kunstwerk über seine Größe, das Material und Ähnliches bestimmt, nicht aber nach der Qualität? Gibt es tatsächlich mehr gute Kunst als teure Kunst? Fragen über Fragen, die Blomberg anhand beispielhafter Geschichten beantwortet.

Leise, aber insistierend schiebt sie den berichteten Fakten immer wieder kritische Fragen und Anmerkungen nach. Madig machen gilt natürlich nicht, bei ihrem Anliegen. Doch andererseits: Wo wäre Kritik nicht hilfreicher, ja schlicht nützlicher als hier, wo es darum geht, potenzielle Kunstsammler mit den Mechanismen des Kunstmarkts vertraut zu machen? Sie könnte an manchen Stellen deutlicher ausfallen. Wer freilich die im Buch versammelten Beispiele als solche liest, hat Blombergs Vorschlag verstanden: Was sie über die großen Namen, seien es Künstler, Galeristen oder Sammler, und den Kontext, in dem sie agieren, zu berichten weiß, sollte der Anfänger über den Kreis recherchieren, in dem er verkehrt. „Wie Kunstwerte entstehen“ will und kann nur zeigen, wo die eigenen Fragen und Aktivitäten ansetzen sollten.

BRIGITTE WERNEBURG

Katja Blomberg: „Wie Kunstwerte entstehen“. Murmann Verlag, Hamburg 2005, brosch., Abb., 224 S., 24,90 €