USA gehen gegen Chávez in die Offensive

Mit scharfen Worten kritisiert Washington Venezuelas Staatschef wegen dessen Schwenk in der Außenpolitik. Chávez setzt auf eine südamerikanische Staatengemeinschaft und möchte künftig vorrangig lieber China mit Öl beliefern

BUENOS AIRES taz ■ Schon lange ist der venezolanische Präsident Hugo Chávez den USA ein Dorn im Auge. Kein Wunder. Chávez rühmt sich seiner Freundschaft zu Fidel Castro, er tut im Fernsehen so, als würde er George W. Bush einen Baseball ins Gesicht schießen, weil er für den mächtigsten Mann der Welt wenig Sympathien hat. Das alles wäre nicht weiter erwähnenswert für die USA, wenn sie nicht 15 Prozent ihres täglichen Erdölbedarfs in Venezuela decken würden. Für Bush ist jetzt Schluss mit lustig, er startete eine neue diplomatische Offensive gegen Chávez.

Vergangene Woche wetterte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gegen Chávez. In der US-Tageszeitung Miami Herald attackierte Rumsfeld Spanien wegen des Verkaufs von Waffen an Venezuela. Die US-Regierung sei besorgt, so Rumsfeld, weil sie nicht wisse, was das südamerikanische Land mit den Waffen vorhabe. Vergangene Woche hatten Chávez und Spaniens Premier Zapatero einen Vertrag besiegelt, der Waffenverkäufe in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar vorsieht. Schon vor Abschluss des Deals befürchteten US-Regierungsbeamte, dass die für Venezuela bestimmten Waffen bei kolumbianischen Guerilleros landen könnten, und rückten Chávez in die Nähe einer Organisation, die das State Department als terroristisch einstuft.

Dabei einen Venezuela und die USA enge Geschäftsbeziehungen. Nicht nur ist Venezuela einer der wichtigsten Erdöllieferanten der USA. Der staatliche venezolanische Erdölkonzern PDVSA betreibt sechs Raffinerien in den USA und besitzt mit Citgo ein Tankstellennetz mit über 14.000 Filialen.

Doch der Schwenk in der Außenpolitik Venezuelas bereitet der US-Regierung Kopfzerbrechen. Noch bis zu Chávez’ Amtsantritt 1998 waren beide Länder enge Verbündete. Chávez macht sich stark für eine südamerikanische Staatengemeinschaft. Mit Argentinien und Brasilien führt er die Länder an, die eine von der US-Regierung geplante panamerikanische Freihandelszone ablehnen. Und erdenkt laut darüber nach, künftig mehr Öl nach China zu verkaufen und die Exporte in die USA zu drosseln.

Doch für solche Ideen fehlen die Möglichkeiten. Das venezolanische Öl kann in China nicht raffiniert werden und auch die venezolanische Tankerflotte ist nicht fit genug, um es bis nach China zu schaffen.

Trotzdem missfallen Bush solche Gedankenspiele. Vor zwei Wochen rief er bei Argentiniens Präsident Kirchner an. Die USA, so ein diplomatischer Bush, seien „besorgt“ über die „Aggressionen“ Chávez’ gegenüber Washington. Argentinien und Brasilien sollen Chávez zähmen. Condoleezza Rice wurde zuvor deutlicher. Chávez sei eine Gefahr für die demokratische Stabilität auf dem Kontinent.

Auch die Freundschaft zwischen dem kubanischen Präsidenten Fidel Castro und Chávez ist den USA ein Ärgernis. Chávez hilft Castro mit Erdöl, dafür sendet Castro kubanische Ärzte in die Slums von Caracas. Eines hat Chávez seine Freundschaft mit Castro eingebracht: denselben Platz im Menschenrechtsbericht des US-State-Department. Kuba und Venezuela befinden sich im dritten Ring, in der Gruppe der Länder, die die Menschenrechte nicht respektierten und dies auch gar nicht versuchten. Zwar haben Menschenrechtsorganisationen immer wieder die Einmischung der Regierung in die Arbeit des Obersten Gerichtshofs Venezuelas kritisiert und das neue Pressegesetz verurteilt. Aber ansonsten darf sich Chávez mit einem Titel schmücken, den keiner seiner Kollegen auf dem Kontinent trägt: Er hat seit 1998 so viele Wahlen und Referenden gewonnen wie niemand sonst. Demokratische Legitimation fehlt ihm nicht. INGO MALCHER