: Herzflimmern in Nordrhein-Westfalen
SPD und CDU starten in die heiße Phase des Landtags-Wahlkampfs. Die Genossen wollen kämpfen bis zum Ende. Doch viele SPD-Mitglieder glauben nicht mehr an eine Wende. Die CDU liegt in der SPD-Hochburg vorn und ist im Siegesrausch
AUS OBERHAUSEN UND DORTMUND PASCAL BEUCKER
„Barfuß im Regen“, trällert der gealterte Schlagerstar Michael Holm in der Dortmunder Westfalen-Halle. Seine größten Hits sind 20 Jahre alt, doch die SPD hätte sich wohl keinen Passenderen für den Auftakt in die heiße Wahlkampfphase aussuchen können.
Nur noch eineinhalb Monate bis zum Wahl-Sonntag, an dem nach 39 Jahren die sozialdemokratische Vorherrschaft an Rhein und Ruhr enden könnte. Und vieles spricht dafür, dass es so kommen wird. In den jüngsten Umfragen liegt die CDU stolze 10 Prozentpunkte vor der SPD und Rot-Grün weit abgeschlagen hinter Schwarz-Gelb. Wer in die Gesichter der knapp 8.000 Sozialdemokraten schaut, die es am Samstagnachmittag in die nicht voll gefüllte Westfalenhalle verschlagen hat, der weiß: Viele glauben nicht mehr an eine wundersame Wende zum Besseren.
„Die SPD ist gewohnt zu kämpfen, sie wird kämpfen und am Ende werden wir die Nase vorne haben“, versucht SPD-Landeschef Harald Schartau sich und den Seinen Mut zuzusprechen. Aber der Applaus bleibt kraftlos. Ministerpräsident Peer Steinbrück probiert es mit Durchhalteparolen: „Noch ist nichts entschieden.“ Ein klares Bekenntnis zu Rot-Grün vermeidet er indes. Stattdessen verkündet Steinbrück, die SPD wolle ihre Stimmen bei der Wahl „maximieren, und zwar in jedwede Richtung“. Die Stimmung in Dortmund, von Herbert Wehner einmal zur „Herzkammer der Sozialdemokratie“ erkoren, kann das allerdings nicht heben.
Bereits während der anschließenden Rede Gerhard Schröders verlassen die Ersten den Saal. Die Verbliebenen erinnert der Bundeskanzler daran, dass die SPD auch sechs Wochen vor der Bundestagswahl 2002 in den Meinungsumfragen hinten lag. Also sollten die Genossen nicht den Mut verlieren: „Genauso wie wir's damals umgedreht haben, tun wir's heute auch“, sagt Schröder trotzig. Als Parteichef Franz Müntefering als Letzter am Abend das Wort ergreift, ist die Halle schon zu einem Drittel leer.
Ein ganz anderes Bild bietet die bis auf den letzten Platz gefüllte König-Pilsener Arena im wenige Kilometer entfernten Oberhausen. Keiner geht vor dem Finale, denn hier treffen sich die nordrhein-westfälischen Christdemokraten zu ihrem nach US-amerikanischem Vorbild glamourös inszenierten Wahlkampfauftakt. Mit Parteichefin Angela Merkel und den vier Unions-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, Christian Wulff, Roland Koch und Peter Müller hat die Partei die erste Garde in die Ruhrgebietsstadt geschickt, um kräftig Front gegen Rot-Grün und für Rüttgers und zu machen. Die Stimmung bei den versammelten über 8.000 Unionsanhängern war ohnehin prächtig: Sie glauben fest an ihren Sieg am 22. Mai.
„Genug ist genug“ lautet der CDU-Wahlslogan. Das kommt an. So erntet der Bayer Stoiber frenetischen Beifall, als er fordert, „die Herzkammer unseres Vaterlandes“ müsse in andere Hände. Tosenden Applaus erhält natürlich auch Rüttgers. „Wir wollen gewinnen, und wir werden diesmal gewinnen“, zeigt sich der christdemokratische Ministerpräsidentenanwärter kraftstrotzend. Gleichzeit stapelt er tief: „Es gibt keinen Grund zur Euphorie: Die Menschen mögen keine Parteien und Kandidaten, die vor dem Wahltag schon gewonnen haben“, warnte er seine Anhänger. Bis zum Wahltag könne noch viel passieren.
Aber was soll da schon noch geschehen? Die Stimmung in der Union ist jedenfalls eindeutig: „Noch nie war unser Sieg so nah“, sagt ein älterer Christdemokrat. Er ist sicher: „Da geht nichts mehr schief.“