„Wir brauchen keine Quote“

ÄGYPTEN Die Muslimschwester Sondos Asem lebt in Kairo und betreut die englischsprachige Seite der Muslimbrüder. Sie verlangt mehr Bürgerrechte

■ Frauenwahlrecht: seit 1956

■ Verfassung: „Die Bürger sind vor dem Gesetz gleich […]. Es gibt keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Sprache, Religion oder Überzeugung“, steht in der provisorischen Verfassung. Kritisiert wurde, dass in dem Komitee, das sie 2011 erarbeitete, keine Frau vertreten war.

■ Rechtslage: Diskriminierungen im Familienrecht. Seit 2005 können Frauen aber die Staatsbürgerschaft an die Kinder weitergeben. Musliminnen haben das Recht auf Scheidung ohne Zustimmung des Ehemanns, Christinnen nicht.

■ Ökonomisch aktiv: 35,7 Prozent der Frauen

■ Arbeitslosigkeit: 9 Prozent; 15- bis 24-Jährige: 47,9 Prozent (Frauen), 17,2 Prozent (Männer)

■ AnalphabetInnen: 56,4 Prozent (Frauen), 32,8 Prozent (Männer)

Als ich am 25. Januar letzten Jahres auf die Straße ging, um gegen Mubaraks korrupte Polizei und seine diktatorische Politik zu demonstrieren, nahmen Zehntausende andere Aktivisten an dem Protest in der Ramses-Straße teil – Männer und Frauen, Alte und Junge, Säkulare und Religiöse, Muslime und Christen. Alle riefen nach Wandel, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit.

Ich fühlte, was es heißt, sich für die Rechte aller Ägypter einzusetzen, unabhängig von Religion, Hautfarbe oder Geschlecht. Das ist eine Errungenschaft unserer großartigen Revolution. Sie bringt auch den mächtigen Einfluss zum Vorschein, den die Partizipation von Frauen am politischen Wandel haben kann.

Die Ägypter haben gemerkt, dass der Schlüssel zu jeglicher Veränderung in der Achtung der individuellen Freiheit und Würde liegt. Daher wird die Verletzung der Würde von Frauen nicht toleriert werden. Das haben der öffentliche Aufschrei und die Proteste gezeigt, die sich gegen das brutale Vorgehen der Militärpolizei gegen Aktivistinnen auf dem Tahrirplatz richteten. Diese Militärpolizei versuchen wir nach der Wahl zu entmachten.

Wegen Mubaraks autoritärer und korrupter Herrschaft und dem Verfall der Wirtschaft sind über 20 Prozent der ägyptischen Jugend arbeitslos, knapp die Hälfte davon sind Frauen. Die Analphabetenrate unter den jungen Leuten liegt bei mehr als 20 Prozent, und mehr als 40 Prozent leben mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag.

Die unmenschlichen Lebensbedingungen haben starke Auswirkungen auf die Lage der Frauen. So war die Verbreitung von abscheulichen Praktiken wie der Genitalverstümmlung in diesen unterprivilegierten Gesellschaftsschichten unvermeidbar. Das liegt am mangelhaften Gesundheitsbewusstsein und am Befolgen negativer Traditionen, unabhängig von ihren verheerenden Folgen für die Frauen.

In einem demokratischen Ägypten müssen die Wurzeln der Marginalisierung von Frauen bekämpft werden, also Armut und Analphabetismus. Die aktive Rolle von Frauen in den Familien und im öffentlichen Leben muss gefördert werden.

Quoten brauchen wir nicht, sie unterschätzen die Fähigkeiten von Frauen, mit Männern auf der Basis ihrer Qualifikation um öffentliche Posten zu konkurrieren, nicht auf der Basis ihres Geschlechts. Die Teilhabe von Frauen muss sowohl von der Regierung als auch von der Zivilgesellschaft ermutigt werden.

Bei der Wiedererweckung unseres Landes werden die ägyptischen Frauen die Partnerinnen der Männer sein – dies auf der Grundlage gemeinsamer Anstrengungen und dem Beharren auf unseren Rechten, die wir als würdige Menschen und als gleiche Bürger in der Gesellschaft haben. Diese werden nur in einem zivilen, demokratischen Staat gewahrt werden können, in dem kein Platz ist für Diskriminierung aufgrund von Religion oder Geschlecht.

Also, beten wir dafür, dass das Jahr 2012 unserer Region mehr Freiheit bringt!

Sondos Asem, 24, betreut die Seite der Muslimbrüder www.ikhwanweb.com. Sie twittert unter @SondosAsem