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Archiv-Artikel

Offensive der Verteidiger gestoppt

MILITÄRJUSTIZ Die große Koalition streitet darüber, ob sich eine Staatsanwaltschaft um alle Straftaten der Bundeswehr kümmern soll. Die Union ist dafür, doch die SPD kann dem Plan nicht viel abgewinnen

FREIBURG taz | Für Straftaten, die Soldaten im Auslandseinsatz begehen, soll eine zentrale Staatsanwaltschaft zuständig sein. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ist dafür, Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ist dagegen.

Das Problem gewinnt an Brisanz, je häufiger Bundeswehrsoldaten in Afghanistan tödliche Schüsse abgeben. Erst am Sonntag hatten Soldaten einen Jugendlichen erschossen.

Den Fall prüft derzeit die Staatsanwaltschaft Potsdam. Sie hat bisher allerdings nur eine Eilzuständigkeit für erste Ermittlungsmaßnahmen. Dabei prüft sie auch, ob ein offensichtlicher Fall von Notwehr vorliegt. Wenn ja, wird kein Verfahren eingeleitet. Wenn aber der Anfangsverdacht eines Totschlags oder einer fahrlässigen Tötung besteht, wird der Fall an die Staatsanwaltschaft am Standort der Heimatkaserne des Soldaten abgegeben.

Darin sieht der FDP-Rechtspolitiker Jörg van Essen ein Problem. Die Staatsanwälte hätten wenig Ahnung von militärischen Abläufen und Völkerrecht und müssten sich jedes Mal neu einarbeiten. Bestätigt sieht er sich durch das Ermittlungsverfahren gegen einen Feldjäger, der im August 2008 eine Frau und zwei Kinder in Kundus erschossen hat. Erst nach knapp neun Monaten stellte die Staatsanwaltschaft Potsdam fest, dass den Soldaten keine Schuld traf. „Unerträglich lange“ habe das Verfahren gedauert, kritisierte van Essen.

„Eine eingearbeitete Staatsanwaltschaft könnte die Prüfung in der Hälfte der Zeit abschließen“, schätzt Rechtsanwalt Klaus Lübke, der den Feldjäger vertrat. Lange Ermittlungsverfahren verunsicherten die Soldaten. Lübke glaubt zudem: „Wer sich auskennt, prüft vielleicht strenger.“

Die FDP hatte im Bundestag beantragt, dass die Staatsanwaltschaft Potsdam, wo sich derzeit das Einsatzführungskommando für Auslandseinsätze befindet, für alle derartigen Ermittlungen zuständig sein soll. Das wurde Anfang Juli im Rechtsausschuss abgelehnt – auch von der CDU.

Justizministerin Zypries hält eine zentrale Staatsanwaltschaft für unnötig. „Es sind ja zum Glück nur recht wenige Fälle pro Jahr“, sagte ein Sprecher. Im Hintergrund stehen aber vor allem politische Bedenken. Nachdem erst in jüngster Zeit die Terror-Urteile der NS-Militärgerichte aufgehoben wurden, will die SPD alles vermeiden, was wie eine neue Militärgerichtsbarkeit aussieht. CHRISTIAN RATH