BERLUSCONI, SEIN HAUSHALTSDEFIZIT UND DIE EU-KOMMISSION
: Sintflut nach dem Regenguss

Piove sul bagnato, sagt ein italienisches Sprichwort – es regnet immer dahin, wo es sowieso schon nass ist. Schon letzte Woche hatte Silvio Berlusconi eine kalte Dusche abgekriegt, hatte er bei den Regionalwahlen die größten Stimmenverluste seit seinem Eintritt in die Politik hinnehmen müssen. Und während der Ministerpräsident noch damit beschäftigt ist, Schäden zu begrenzen, seine zerstrittene Koalition beisammenzuhalten, sich eine Notfallstrategie fürs letzte Regierungsjahr auszudenken, da kommt schon der nächste Guss. Diesmal ist es die EU-Kommission in Brüssel, die dem Regierungschef die eh schon nicht mehr besonders gute Laune weiter verdirbt: Die Kommissare wollen ein Defizitverfahren eröffnen, da Italien in diesem Jahr wohl bei 3,6 und nächstes Jahr gar bei 4,6 Prozent Haushaltsminus landen werde.

Berlusconi wird wieder mit der Anklage reagieren, der EU-Finanzkommissar Almunia – ein spanischer Sozialist! – treibe sein böses Spiel bloß, um der italienischen Opposition zu helfen. Wahr daran ist: Der Vorstoß der Kommission kommt Berlusconis Wahlkampfplanung fürs nächste Jahr gefährlich in die Quere. Vorgesehen war ein Staatshaushalt mit kräftigen Steuergeschenken für die Normalverdiener genauso wie für die Unternehmen, um das miserable Klima im Land noch in letzter Sekunde zu wenden. Jetzt aber müsste Berlusconi einen Etat vorlegen, der stattdessen unter Brüsseler Diktat den Bürgern neue Härten etwa bei den Renten zumutet – und die italienische Rechte ihrer letzten Chance auf Wiederwahl beraubt.

Gut möglich deshalb, dass Berlusconi einfach das Defizitverfahren ignoriert, Steuergeschenke verteilt und seinen Wahlkampf dazu noch kräftig mit antieuropäischen Tönen würzt. Im besseren Falle gewinnt er die Wahl – und kann sich danach in Ruhe um Schadensbegrenzung kümmern. Im für ihn schlechteren, realistischeren Falle hätte sein Nachfolger Romano Prodi den Schaden, kann sich mit Defizit und Sparmaßnahmen herumschlagen. Das wäre dann „piove sul bagnato“ in der Berlusconi’schen Übersetzung: „Dopo di me il diluvio!“ – nach mir die Sintflut. MICHAEL BRAUN