: Mit Biodiesel gegen den Feinstaub
Nun hat auch Berlin die 35-Tage-Grenze erreicht: Während die zuständige Senatorinüber Fahrverbote nachdenkt, setzt Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe auf Bio
BERLIN taz ■ Jetzt nimmt die Sache groteske Züge an: Nachdem nun auch Berlin die zulässige Feinstaub-Höchstgrenze erreicht hat, „erwägt“ Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ein Lkw-Fahrverbot. Erwogen hatte sie das auch schon letzte Woche, und man darf gespannt sein, wie lange sie noch abwägen wird: In Wirklichkeit wurde die 35-Tage-Marke bereits früher erreicht. „Die Senatsverwaltung hat die tatsächliche Belastung eine Woche lang verschwiegen und bis heute keinen Notfallplan vorgelegt“, so Stefan Bundscherer, Luft-Experte der Deutschen Umweltstiftung. Er wirft Junge-Reyer „politischen Aktionismus vor, der Untätigkeit überdecken soll“.
Ob das Thema Biodiesel auch in die Kategorie „politischer Aktionismus“ fällt, bleibt abzuwarten: Die Bundesregierung will den nachwachsenden Kraftstoff angesichts explodierender Ölpreise fördern. „Wir haben das ehrgeizige Ziel, bis 2020 den alternativen Kraftstoff-Marktanteil auf 20 Prozent zu heben“, erklärte Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) gestern in Berlin. Zu 97 Prozent hänge der Verkehr heute noch von Öl ab. Auf der Konferenz „Weg vom Öl – Perspektiven der Automobilität“ sagte sogar Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, den Alternativen großen Marktanteile voraus – etwa für Ethanol oder Biomasse (BTL-Kraftstoffe).
Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium schätzt das Potenzial als „gewaltig“ ein: „Die einzigen Landwirte, die in den letzten Jahren Marktanteile zugewannen, waren Biobauern und Energiewirte“, sagte der parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger (Grüne). Die Anbaufläche sei im letzten Jahr von 900.000 Hektar auf über 1 Million gestiegen. Der Verband der Biodieselhersteller (VDB) vermeldete mit 1,2 Millionen Tonnen einen neuen Produktionsrekord. Allerdings deckt der nur 4 Prozent des deutschen Dieselverbrauchs ab. „Biodiesel belastet die Umwelt wesentlich weniger mit Feinstaub als der handelsübliche“, sagte VDB-Chefin Petra Spick. Deshalb könnten die Kommunen ihre Luftqualität ganz konkret verbessern, wenn sie „ihren Fuhrpark auf Biokraftstoffe umstellen“.
Auf dem politischen Parkett wird es in Berlin heute weniger geschmiert zugehen: Vor dem Umweltausschuss des Bundestages will Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sein Förderkonzept für Rußfilter vorlegen. Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) wird ihm Untätigkeit vorwerfen. Und Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes, die Frage beantworten: Haben nun 7, 9 oder 13 deutsche Städte den Grenzwert überschritten?
NICK REIMER
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