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Archiv-Artikel

Nur noch ein Prinz zwischen Harz und Heide?

Die Landesbühne Hannover und das Stadttheater Hildesheim denken über eine Fusion nach. Hintergrund ist die Kündigung der Zuwendungsverträge durch das Kulturministerium

Im Dorfgemeinschaftshaus von Hattorf im Harz feiert man am kommenden Montag „100 Jahre HipHop“. Dabei wird MC Tachiles als Puff Baba auf eine verliebte Frikadellenverkäuferin stoßen und den HipHop als türkische Erfindung definieren. Empfohlen ab 12 Jahren, Beginn: 11.30 Uhr.

Einen Tag nach dem Besuch in Hattorf wird die Landesbühne Hannover das Stück auf der eigenen Bühne in der Hannoveraner Bultstraße zeigen. Auf die Reise geht dafür „Emilia Galotti“, die ihren Prinzen von Guastalla dann im Nienburger Theater trifft. Was Emilia kaum wundern wird: Im April war sie bereits in Meppen und Wedemark unterwegs und natürlich heimspielmäßig in Hannover.

Über 150 Spielstätten zwischen Harz und Heide bespielt die Landesbühne Hannover, ihr Auftrag ist, ein Theaterangebot für die Menschen jenseits der größeren Städte auf die Bühnen zu bringen. Finanziert wird die Landesbühne hauptsächlich vom Land Niedersachsen, und das hat Ende vergangenen Jahres sämtliche Zuwendungsverträge für alle niedersächsischen Theater zum Jahr 2007 gekündigt. Über konkrete Kürzungen sagt das noch nichts – es muss allerdings neu verhandelt werden, wobei das Land Strukturveränderungen wünscht, die aller Voraussicht nach mit Kürzungen einhergehen werden. Die offizielle Sprachregelung: „Angesichts der dramatischen Haushaltslage muss das Land alle öffentlichen Ausgaben überprüfen“, so eine Sprecherin des Ministeriums. Im Jahr 2005 beträgt der Gesamtetat des Landes für alle Staatstheater, kommunalen Theater sowie die beiden Landesbühnen knapp 100 Millionen Euro.

Vorab aber denken zwei niedersächsische Intendanten bereits nach, und zwar über einen Zusammenschluss der Landesbühne Hannover mit dem dreißig Kilometer entfernten Stadttheater Hildesheim. Das dortige Drei-Sparten-Haus fürchtet im Zuge der Strukturveränderungen die Abwicklung einer ganze Sparte, nämlich des Tanztheaters: „Das Ministerium will 10 % seiner gesamten Theaterzuschüsse sparen“, sagt der Hildesheimer Intendant Urs Bircher. „Wir wollen jetzt nicht wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen, sondern selbst aktiv werden.“

Mitte Mai möchte Bircher einen Entwurf fertig haben, wie die Zusammenarbeit aussehen könnte. Wobei noch unklar ist, ob sich die weitestgehende Variante der Zusammenarbeit, die Gründung eines Regionaltheaters Niedersachsen, „überhaupt rechnet“. Und wobei das Jahr 2012 eine große Rolle spielt: Dann nämlich endet der Mietvertrag der Landesbühne in ihrer Hannoveraner Spielstätte. Bis dahin möchte Landesbühnen-Chef Jörg Gade das Haus in Hannover als Spielort halten.

Für Gade würde der Zusammenschluss beider Häuser eine „stärkere Landesbühne mit Mehrspartenangebot“ bedeuten, Bircher könnte durch die Fusion das bedrohte Hildesheimer Ballett retten. Ästhetisch würde man sich annähern müssen: Die Landesbühne müsste weniger Unterhaltungstheater machen, die Hildesheimer müssten dafür das Kinder- und Jugendtheater sowie das Musical ausbauen, sagt Bircher. „Das sind aber nur Entwicklungsschritte. Ich sehe keine grundsätzlichen Unterschiede.“ Wer Chef eines potentiellen Regionaltheaters werden würde? Bircher hört in Hildesheim kommendes Jahr auf; Gades Vertrag läuft noch bis 2009.

An anderen niedersächsischen Bühnen übrigens herrscht angesichts der gekündigten Zuwendungsverträge das Abwarten vor. Für Sommer diesen Jahres erwartet man die Entscheidung, wer ab 1.1.2007 wie viel Geld bekommt. Fritz Frömming von der Landesbühne Nord in Wilhelmshaven: „Wir sind alleine hier oben. Mit wem sollten wir fusionieren?“ Klaus Irler