Dieb oder Liebe

Das Metropolis startet eine Hongkong-Filmreihe mit Hamburg-Premieren und modernen Klassikern

Von „Heung Gong“, was so viel wie „Duftender Hafen“ heißt, leitet sich der Name Hongkongs ab. Das Kantonesische, diese klangvolle Sprache mit den vielen lang und länger gezogenen A-Lauten, kann mit dieser Bezeichnung kaum mehr den heutigen Sieben-Millionen-Moloch meinen, sondern verweist auf das Fischerstädtchen Hongkong von einst, das erst durch die britische Kolonialmacht zur Metropole aufstieg. Über die Gerüche Hongkongs rümpft Dan Dan, eine Festlandchinesin, die in der Stadt als Prostituierte arbeitet, denn auch die Nase. Kein Wunder, geht sie ihrem Gewerbe doch in Mongkok nach, einem der am dichtesten besiedelten Orte des Erdballs.

Dan Dan gehört zum Personal des Eröffnungsfilms der Hong Kong-Filmreihe des Metropolis, für den Daniel Lam den Hong Kong Film Award für die beste Regie erhielt. One Nite in Mongkok ist ein Thriller in einem wuseligen Viertel Hongkongs, das nie schläft und in dem das Gute und Böse neben- und miteinander gedeihen. Die Handlung in einer Nacht komprimierend, wechselt Daniel Lam sicher zwischen dem Krieg zweier Triadenbanden, der Ermittlung der Behörden und der sich anbahnenden Freundschaft des gedungenen Killers mit Dan Dan.

Stark ist die Story einerseits, weil das Paar gut spielt, schwach andererseits, weil man die Junge-vom-Lande-versucht-Hure-zu-erretten-Nummer nicht mehr sehen mag. Dass der Hitman mit seiner Brille dem Pseudokiller aus Tokyo Eyes überdies frappant nachempfunden ist, macht die Sache auch nicht besser. Dennoch, Bilder und Atmosphäre des zuweilen krassen Actionkrachers lassen die überambitionierte Story-Gemengelage verzeihen.

Ein anderes Paar, ein anderer Film: In Love Battlefield folgen wir zunächst dem zarten Aufblühen einer Liebe, die alsbald im alltäglichen Beziehungs-Kleinklein erodiert. Eigentlich wollen Ching und Yui zu ihrer Europareise aufbrechen, doch am Diebstahl des Autos, und der Frage, ob Polizei oder Abreise vorzuziehen sind, zerbricht die Liebe. Yui, ein Notaufnahmepfleger, wird kurz darauf von einer Gangsterbande gekidnappt, die seine medizinischen Fähigkeiten für einen verwundeten Kollegen nachfragen. Es entwickelt sich ein groteskes Hin und Her mit immer mehr Verletzten, Verbrechen und Verfolgungen. Das alles ist trotz kleiner Ungereimtheiten rasant, schwarzhumorig und immer spannend.

Auch in Hongkong scheint die Männlichkeit in der Krise zu stecken, glaubt man der Regisseurin Barbara Wong. Six Strong Guys, der den Preis für den irreführendsten Titel beanspruchen kann, führt vier XY-Genotypen vor, von denen jeder auf seine Weise an den Widrigkeiten von Geschlecht und Gesellschaft zu knacken hat. Stark sind sie also nicht, und sechs sind sie nur, wenn man zwei Nebenfiguren dazu nimmt. Jobstress, straffe Hierarchien, Erektionsschwäche nach Vaterfreuden, weibliche Überfürsorge, schwiegerväterliche Autorität und ewiggestriges Klammern an der Jugendliebe sind Indikatoren einer fragilen männlichen Identität, die Wong mit einer spielerischen Leichtigkeit vorführt, die leider von der läppischen Logik der Story etwas ausgebremst wird.

Neben solchen Produktionen aus dem vorigen Jahr versammelt die Reihe auch Hongkong-Standardwerke wie Once Upon a Time in China I + II von Tsui Hark oder Crime Story mit Jackie Chan, immer sehenswerte Evergreens der Leinwand, die mit ihren A-Lauten im Original von Synchronfassungen nicht zu schlagen sind. Tim Gallwitz

Do, 14.4. 19 Uhr, Metropolis: Eröffnung mit Gästen