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Archiv-Artikel

Eva und die Schlangen

AUSSTELLUNG Die irische Künstlerin Eva Rothschild hat Hannoveraner Bürger fotografiert, die mit Schlangen posieren. Interessanter aber sind Rothschilds Skulpturen und Objekte, die derzeit in der Ausstellung „Hot Touch“ im Kunstverein Hannover zu sehen sind

„Geometrische Formen sind mittlerweile verdorben“

Eva Rothschild

Beim Sprechen über die Arbeiten der irischen Künstlerin Eva Rothschild ist gerne und oft von formalem Minimalismus die Rede, aber Rothschild macht nicht nur in Minimalismus, sondern auch in Riesenschlangen. Ein Raum der Ausstellung „Hot Touch“ im Kunstverein Hannover zeigt Fotografien, auf denen Personen aus Hannover zusammen mit einer Königspython oder einer Boa abgebildet sind. Rothschild hatte für diese Fotos eigens ein Fotoshooting im Kunstverein Hannover veranstaltet. Es ist eine Aktion, die sie auch an früheren Ausstellungsorten bereits initiiert hat.

Mit ihren norddeutschen Akteuren gerät die „Berührung“ mit lebendigen Schlangen allerdings keinesfalls „heiß“ sondern bleibt motivisch blass. Ungemein lebendig, im Sinne von phantasievoll und assoziationsreich, sind dagegen Rothschilds Skulpturen und Objekte. Die irische Künstlerin beschäftigt sich mit dem Raum, als Negativform ihrer plastischen Interventionen beispielsweise. Dabei vertraut sie nicht mehr allein auf die strengen flächigen Geometrien des Minimalismus, sondern erweitert ihn durch fraktale räumliche Strukturen, die sie mit weichen, organischen Materialien kombiniert.

So besteht ihre große Raumarbeit „Natural Beauty“ aus zwei, im Winkel zueinander gestellten Fachwerkscheiben, beide schwarz hochglänzend lackiert, die von einem Geschlinge aus geflochtenem, mattschwarzen Leder partiell durchwirkt werden. Ganz wenige rote Streifen durchziehen diese Lederschlangen, die Materialenden baumeln meist lose herunter.

Die schlanken, mitunter durchbrochenen Körper erinnern an Constantin Brancusi: Auch Rothschild scheint sich in diesen Arbeiten besonders den Sockeln zu widmen. Diese bestehen unter ihren Stelen, die wie aus Köpfen, Spindeln oder Kürbissen aufgetürmt erscheinen, aus einer flachen Bodenscheibe.

In den aufgelösteren Formationen, etwa der Wolken- und Gebirgssilhouette „Sweet Valley“ von 2009, kommt eine filigrane schwarze Stellage zum Einsatz: vier Stahlbeinchen, die durch schräge Streben ausgesteift sind. All diese Sockel fassen die Elemente ihrer Skulpturen zu jeweils einer einzigen Gesamtform zusammen. Das Kunstwerk der vielen Teile wird, dem Credo des Minimalismus folgend, durch das Kunstwerk einer lebendigen Einheit ersetzt – und sei diese der fotografierte Handstand auf einem der schwarzen Untergestelle, ein „Hot Touch“ offensichtlich.

Geometrische Formen seien mittlerweile verdorben, auf ihre Stärke sei kein Verlass mehr, so Rothschild in einem Interview. Deshalb kommen neben raumgreifenderen Arrangements ausgeprägt handwerkliche Techniken wie Lederwerk oder Keramikmosaik hinzu.

Durch diese Techniken wird Rothschilds Arbeiten aber auch ein Hang zum kunstgewerblich Dekorativen zu eigen. So denkt man bei dem peniblen Lederflechtwerk sofort an das Handtaschendesign eines venezianischen Luxusherstellers, das glänzend schwarze Keramikmosaik ihres mehrteiligen Bodenringes „Do-nut“ – wieder mit ein paar roten Einsprengseln versehen – könnte auch der Sitzbank einer Wellness-Oase entliehen sein. Disparate Brechungen sollen nicht stattfinden, alles gerinnt zu wohlbekömmlicher Delikatesse.

BETTINA MARIA BROSOWSKY

bis 29. Januar, Kunstverein Hannover