: Lieber Gerd, dein Wille geschehe!
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) stimmt in den Chor jener ein, die die Sicherung des Religionsunterrichts fordern, und düpiert damit seinen Parteifreund Klaus Wowereit und dessen Konzept für Werteunterricht
BERLIN taz ■ So also sieht die Strategie aus, mit der die SPD-Bundespartei die Einführung eines verbindlichen Werteunterrichts in den Schulen des Landes Berlin entschärfen will: Zahlreiche Spitzenpolitiker der Partei erklärten anlässlich einer aktuellen Stunde im Bundestag gestern unisono, dass sie den Weg der hauptstädtischen Parteifreunde zwar persönlich nicht gutheißen, deren Kurs aber wegen des deutschen Föderalismus leider nicht beeinflussen könnten.
„Diese Frage liegt in der Kompetenz der Länder, die dies in einem engen Dialog mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften regeln sollten“, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder. Parteichef Franz Müntefering verwies darauf, auch „kein christdemokratischer Ministerpräsident würde sich bei Entscheidungen zur Kulturpolitik in seinem Bundesland ins Handwerk pfuschen lassen“. Bildung sei Ländersache, erklärte auch der Kirchenbeauftragte der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt. Im Übrigen appellierte er an die Opposition: „Lassen Sie die Kirche im Dorf.“
Der CDU-Abgeordnete Wilhelm Gröhe dagegen bezichtigte Atheisten der unterlassenen Hilfeleistung. Man müsse den barmherzigen Samariter kennen, um bei einem Unfall helfen zu können, erklärte er. Sein Fraktionskollege Günter Nooke hielt der SPD vor, sie verleugne „das Christentum, das unser Land zusammenhält“. Der Kirchenbeauftragte der Union, Hermann Kues, sagte: „Was sich in Berlin abspielt, riecht verdammt nach DDR.“
Die FDP beklagte einen „Rückfall in die Siebzigerjahre“, obwohl Änderungen beim Religionsunterricht aus jener Epoche gar nicht überliefert sind. Die Grünen zeigten sich in der Frage gespalten. Die Bildungspolitikerin Grietje Bettin begrüßte die Entscheidung, die in einer „multireligiösen Stadt“ wie Berlin sinnvoll sei. Die Kirchenpolitikerin Christa Nickels beklagte dagegen die Abwertung des Religionsunterrichts.
Zuvor hatte bereits der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, die Bürger via Bild-Zeitung zu Protestschreiben an Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit aufgerufen. „Seelenlose ‚Religionskunde‘ kann den Religionsunterricht nicht ersetzen“, heißt es in dem vorformulierten Schreiben für die Leser des Boulevardblatts. Wowereit solle zeigen, dass Berlin „keine gottlose Stadt“ sei.
RAB, SAT
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