: Scho’ erstaunlich, gell
PERFORMANCE Der Münchner Autor Olaf Benzinger sprach im Brecht-Haus über sein Buch „Bob Dylan. Die Geschichte seiner Musik“. Statt einer Biografie widmet er sich einzelnen Stationen von Dylans Karriere
Biografien über Popmusiker zu schreiben ist ein schwieriges Unterfangen. Das wahre Leben hinter dem Image eines Künstlers zu recherchieren scheint auf Grund der Tatsache, dass sich Musiker in der Öffentlichkeit eines Images bedienen, unmöglich. Zum Pop gehört eben nie nur die Musik, sondern gleichermaßen die Performance und die inszenierten Bilder, die die jeweiligen Stars präsentieren. Diese werden von den Rezipienten aufgenommen, beurteilt und weitergesponnen.
In ihrem Buch „A Freewheelin’ Time“ beschreibt Bob Dylans zeitweilige Lebensgefährtin Suze Rotolo dessen Umgang mit dem öffentlichen Bild eines Popstars: „Viel Zeit wurde vor dem Spiegel verbracht, ein Outfit nach dem anderen wurde ausprobiert. Image is everything.“ Dylan ist bekannt dafür, seit Anbeginn seiner Karriere munter die Möglichkeiten der fiktiven Selbstdarstellung auszuschöpfen. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn der Singer-Songwriter auf der Bühne erklärt, heute seine Bob-Dylan-Maske zu tragen. Das lässt sich rückblickend auch anhand der zahlreichen Musik- und Outfitveränderungen erkennen: Dylan als unprätentiös-nuschelnder Protestsänger, Dylan als poetischer Künstler in Schwarz mit Schal, Dylan als Southern Gentleman und so weiter.
Der Regisseur Todd Haynes greift dieses Phänomen auf, wenn er in seiner Filmbiografie „I’m Not There“ die Figur Dylan anhand sechs verschiedener Personen erklärt, die einzelne Elemente des Künstlers verkörpern.
Auch der Münchener Autor Olaf Benzinger ist sich dieses Problems bewusst. Sein 2006 erstmals veröffentlichtes Buch „Bob Dylan. Die Geschichte seiner Musik“ vermeidet schon im Titel die Klassifizierung als Biografie und möchte stattdessen von Stationen seiner Karriere erzählen.
Das musikalische Werk
In einer Buchvorstellung, die am Mittwoch im Brecht-Haus stattfand, ging es ihm deswegen um das musikalische Werk Dylans. Benzinger betont, Dylan auch als Literaten vorstellen zu wollen, da seine Musik „nicht vorstellbar sei ohne Text und Performance“. Zunächst spielt er dem Publikum verschiedene Coverversionen des frühen Dylanhits „Blowin’ In The Wind“ vor. Zuerst von anderen Bands, die dem Song entweder Country-, Pop-, Gospel- oder Punkelemente einverleibten, dann auch von Dylan selbst.
„Scho’ erstaunlich, gell?“, findet Benzinger diese unterschiedlichen Vortragsweisen, die der Song zulässt. Die „Sprachkaleidoskope“ des Musikers erklärt der Vortragende anhand dichterischer Vorbilder wie Allen Ginsberg oder Henry Miller. Benzinger, der ein erstaunliches Wissen aus einzelnen Songtextzeilen in seinen Vortrag einfließen lässt, geht es um das poetische Songwriting Dylans. Dieses ermögliche eine subjektive Reaktion der Zuhörer, woraus sich erklären ließe, wie der Popstar so viele Fans unterschiedlicher Generationen gewinnen konnte. Immer wieder betont Benzinger in seinem Vortrag die Problematik der Legendenbildung um Robert Zimmerman, wie Dylan eigentlich heißt.
Er schmücke seine Vergangenheit selbst in seiner Autobiografie „Chronicles. Volume 1“ mit Widersprüchen aus und vertritt damit einen offenen Umgang mit der Ausarbeitung einer Rolle, die ein Popstar repräsentiert. Benzinger weiß, dass er keine Biografie über einen Musiker schreiben kann, den er nicht kennt. Auch ist er sich der Tatsache bewusst, dass Imagineering immer ein Bestandteil der Popmusik sein wird: „Wenn wir keine Mythen hätten, wovon würden wir dann leben?“, stellt er in den Raum. „Wir“ könnten wohl auch ohne sie überleben, doch Popmusik kann es nicht. Und ohne Pop wäre das Leben weitaus weniger schön. LISA FORSTER