: Aktienverlierer sind vor Gericht Gewinner
Richter verurteilen Vermögensberatungsgesellschaft zu Schadensersatz wegen Falschberatung und sittenwidriger Schädigung der Vermögensinteressen eines Kunden. Der Mann hatte mit Aktienfonds 47.000 Euro verloren
HAMM taz ■ Die Opfer von spekulativen Kapitalanlagen sind vor Gericht nicht chancenlos. In einem verbraucherfreundlichen Urteil hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) in Hamm entschieden, dass Vermögensberater schon allein deshalb für hohe Verluste eines Aktienfonds haften, wenn sie einem in Wertpapiergeschäften wenig erfahrenen Kunden diese riskante Geldanlage von sich aus empfehlen. Zu Schadensersatz wegen Falschberatung und sittenwidriger Schädigung der Vermögensinteressen eines Kunden in Höhe von rund 47.000 Euro wurde eine renommierte Vermögensberatungsgesellschaft verurteilt, weil sie nach Ansicht des 4. Zivilsenats nur aus Provisionsinteresse zu einer ungeeigneten Kapitalanlage geraten hat.
Als Geldvernichtung hatte sich für einen Mann aus dem Münsterland die Zeichnung von drei Aktienfonds (unter anderen: Wachstum Europa) im März 2000 erwiesen. Schon nach acht Monaten hatte der Fonds über 55 Prozent seines Wertes verloren. Diese Anlage war ihm nach einer so genannten Vermögensanalyse empfohlen worden. Der Mann hatte sein gesamtes angespartes Geld in Höhe von rund 50.000 Euro, das in wenigen Jahren für einen Hausbau verwandt werden sollte, für den Erwerb der angepriesenen Fondsanteile eingesetzt.
Dass der Kunde eine günstige Anlage suchte, um sich später den Eigenheimwunsch zu erfüllen, war der Vermögensberatungsgesellschaft bekannt. Diese Ausgangssituation, so das Oberlandesgericht in seiner Urteilsbegründung, schloss es aus, dem Kläger überhaupt zu raten, sein gesamtes verfügbares Vermögen in drei risikoreiche Aktienfonds zu stecken. Einen Verstoß gegen den Grundsatz einer anlagegerechten Beratung sieht der 4. Zivilsenat auch darin, dass ein Hinweis auf die bereits damals erkennbare krisenähnliche Situation am Aktienmarkt unterblieben sei.
Aufgehoben wurde durch das Urteil des Oberlandesgerichts die Entscheidung des Landgerichts Münster, das die Klage auf Schadensersatz und Rückabwicklung des verlustreichen Anlagegeschäftes als unbegründet abgewiesen hat. Die Revision wurde nicht zugelassen.
KLAUS BRANDT
(AZ: 4 U 183/04)