: Weg in die Psychiatrie vorgezeichnet
Völlige Schuldunfähigkeit psychisch kranken Brandstifters umstritten. Prozess vorm Abschluss, Urteil fällt am 25. April
bremen taz ■ Eine glückliche Familie Wand an Wand mit seinem eigenen Eheleid – das hat beim psychisch kranken Angeklagten so viel Neid und schließlich Hass hervor gerufen, dass er einen Brandsatz ins Haus der schlafenden, fünfköpfigen Nachbarsfamilie warf. So erklärte der psychiatrische Sachverständige am gestrigen letzten Verhandlungstag im Landgericht das tiefere Motiv einer Tat, die im vergangenen April über Bremen hinaus in die Schlagzeilen geriet – auch weil anfangs ein Zusammenhang mit einer umstrittenen Kresnik-Inszenierung vermutet wurde, da die Mutter der Familie als Pastorin in der Kirche arbeitete, in der die Aufführung stattfand.
Angstzustände und Depressionen, gepaart mit einer Borderlinestörung, führten nach Aussagen des Gutachters beim Angeklagten zu einer langfristigen Persönlichkeitsstörung, die in der Tatnacht auf höchst gefährliche Weise durchbrach. Dass dabei Tabletten und Alkohol im Spiel waren, könne die Steuerungsfähigkeit des Mannes aufgehoben haben. Viel bedenklicher aber sei „der Abgrund zwischen sozialer Fassade und dem, was in dem Mann arbeitet und seine innere Motivation ausmacht“. Dies könne dazu führen, dass der Kranke seine Aggressionen wieder gegen andere richte – weswegen eine Unterbringung in der Psychiatrie ratsam sei.
Diese Worte des Gutachters bestätigten, was während der mehrtägigen Verhandlung die Pastorin und ihr Mann, die als Nebenkläger auftraten, deutlich gemacht hatten: Dass hinter den Vorwürfen wegen Kinderlärms keine tatsächlichen äußeren Anlässe steckten. Nebenklagevertreter Günter Bandisch forderte gestern im Plädoyer, dass die Eltern als Opfer der Tat für sich und für die Öffentlichkeit Sicherheit beanspruchten. Zuvor hatte Staatsanwalt Martin Binnz wegen versuchten Mordes, schwerer Brandstiftung und Körperverletzung die Unterbringung des Angeklagten im Maßregelvollzug der Psychiatrie gefordert – sowie fünf Jahre Haft. An einer völligen Schuldunfähigkeit etwa aufgrund von Alkoholkonsum in der Tatnacht äußerte er Zweifel. Dazu habe der Mann die Tat – mit vorausgegangenem Bau des Brandsatzes – zu zielstrebig durchgeführt.
Auch Verteidiger Erich Joester plädierte auf eine Unterbringung des Angeklagten in der Psychiatrie. Jedoch halte er seinen Mandanten für so krank, dass man ihm nicht unterstellen könne, überhaupt geprüft zu haben, ob die Familie wenige Stunden vor dem verübten Anschlag aus dem Urlaub zurückgekehrt sei. „Der hat darauf gewartet, dass der liebe Gott ihm ein Zeichen für den Brandanschlag gibt“, wies Joester auf den Anflug religiösen Wahns hin, der die Tat begleitet hatte. Der Kranke „lebt in einem Karton“, in dem er die Außenwelt nicht wahrnehmen könne. ede
Urteilsverkündung: 25. April, 9 Uhr, Landgericht Raum 218