: Ankommen und gründen
Ein hoher Anteil der Einwanderer in Deutschland macht sich selbstständig. Doch die Hürden sind in vielerlei Hinsicht beträchtlich – angefangen beim eigenen Girokonto
Ethno-Marketing ist kein schönes Wort. Im sozial ausgerichteten Koordinatensystem markiert es den Rückschritt vom internationalistischen Klassenkampf zum globalen Rassen-Ethnien- Nationen-und-Religionen-Hickhack. Trotzdem waren die ersten Werbeplakate auf Türkisch, die es erst seit ein paar Jahren gelegentlich gibt, eine gute Idee – wenn man das beim derzeitigen Werbe-Overkill noch sagen darf.
In diesem Fall ist damit eine Kampagne der Berliner Volksbank im Rahmen der Existenzgründer-Messe gemeint, wobei sich deren Ethno-Marketing speziell an unsere russischen und türkischen Mitbürger richtet. Zwar müssen diese als potenzielle Gewerbetreibende Deutsch können, aber in der Volksbank und auch auf deren Messestand werden sie erst einmal von türkisch- und russischsprachigen Mitarbeitern bedient. Das starke Banker-Interesse an neuen Märkten – in diesem Fall an den sich eher und öfter als die Deutschen selbstständig machen wollenden Türken und Russen – war nicht immer so. Als die ersten italienischen Gastarbeiter nach dem Pinochet-Putsch – das Chile zu einem Billiglohnland machte – anfingen, hier Eiscafés und Pizzerien zu eröffnen, stießen sie noch auf großes Unverständnis.
Der Neuköllner Pizzapionier Salvatore da Fiore erinnert sich: „Es gab damals nur ein paar italienische Restaurants in der Stadt. Die Banken gaben keine Kredite an Gastarbeiter. Da sind dann italienische Firmen eingesprungen. Und schließlich haben sich auch die deutschen Banken geändert. Denn der Markt ist schier explodiert. In den Restaurantküchen wurden bald die ersten Araber und Albaner schwarz beschäftigt. Die haben da gelernt – und sich dann mit eigenen Pizzerien selbstständig gemacht“. Bei der Berliner Volksbank merkt man dazu an, dass die Kreditvergabe an Italiener erst im Zuge des Zusammenwachsens der EU problemlos sei. Vor zwei Jahren konnte Wladimir Kaminer kein Konto bei einer Großbank eröffnen, weil er nur ein deutsches Übergangsdokument, basierend auf seinem sowjetischen Pass, der ihm von einer russischen Behörde ausgestellt worden war, besaß. Er wich dann zu einer friesischen Sparkasse aus. Hierzu erklärte mir Herr Mamedov von der Volksbank: „Wir verlangen nur eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis!“ Die besaß Wladimir aber schon lange. Bei einer anderen Großbank musste die taz-Journalistin Lilli Brand neulich für einen 500-Euro-Dispokredit sogar eine Lebensversicherung abschließen, was sämtliche Branchenkenner für überzogen hielten – wenn nicht sogar für über den Tisch gezogen, vor allem, da dies im Rahmen eines Gesprächs über ihr neues Buch auf Abteilungsleiterebene geschah. Auch hierzu passt eine Bemerkung von Herrn Mamedov: „Die Schufa muss natürlich sauber sein!“ Vor der Schufa sind alle gleich. Das kann ich bestätigen. Wie ebenso, dass das neue Insolvenzrecht sehr schuldnerfreundlich ist: um nämlich den vielen Pleite gegangenen Existenzgründern im Osten eine zweite Chance zu geben. Auch das ist eine Art von Ethno-Marketing. Ein großer Elektronikhändler verweigerte dagegen erst neulich einem Kunden die Ratenzahlung auf eine „Premiere-D-Box“, weil der einen türkischen Pass besaß. Als reines Ethno-Planing muss man inzwischen die vielen Neonazi-Attacken auf vietnamesische und türkische Imbisskioske im Osten begreifen. Aber die Armen denken immer nationalistisch, las ich gerade bei in einer Studie über Kurdistan. Gut, dass die reichen Banken da mit Ethno-Marketing gegensteuern, sie wollen damit jedoch vor allem noch reicher werden. Insofern besteht die Gefahr, dass das Ganze nach hinten losgeht.
HELMUT HÖGE