SPARWUT UND SOZIALABBAU
: Ausgabenkonzept

Die Zeit für eine Abrechnung ist gekommen: Das rot-grüne Regierungsprogramm, mit Steuersenkungen und Einsparungen die Wirtschaft anzukurbeln und die Zahl der Erwerbslosen zu senken, ist vorerst gescheitert. Eine Generalkritik der rot-grünen Wirtschafts- und Sozialpolitik der vergangenen Jahre versucht nun der gewerkschaftsnahe Ökonom Gustav A. Horn in seinem Essay „Die deutsche Krankheit: Sparwut und Sozialabbau“.

Einsparungen und Lohnzurückhaltung, so Horns These, waren nicht nur fruchtlos, sondern im Gegenteil sogar Mitverursacher der heutigen Misere. Die rot-grüne Regierung habe es versäumt, die Agenda 2010 schon im Vorfeld daraufhin zu überprüfen, ob daraus „gesamtwirtschaftliche Belastungen“ entstehen könnten. In der Tat hat sich gezeigt, dass die psychologische Nebenwirkung der öffentlichen Einsparungen und der Hartz-IV-Reform, nämlich Zukunftsangst, sich als Hemmschuh entwickelt hat für die Entwicklung der deutschen Binnenwirtschaft. Der psychologische Effekt der Entlastungen etwa durch die Steuerreform ist demgegenüber erstaunlich schnell verpufft.

Das lag teilweise auch an ökonomischen Gegebenheiten, für die eine rot-grüne Regierung nichts konnte: Die rot-grüne Reformpolitik, so analysiert Horn, traf nämlich schon auf ein Deutschland, das sich im Zuge der wirtschaftlichen Einbrüche seit dem Jahr 2000 in einer schwierigen Phase befand. Im Export erholte sich Deutschland zwar schneller als manche anderen Länder von der Schwächephase. Doch der private Verbrauch blieb zu gering. Genau dies machte auch den Unterschied zu Großbritannien und Frankreich aus, wo die Konsumwerte nach oben zeigten.

Nach Horns Analyse darf sich die Politik in einer großen Volkswirtschaft wie Deutschland nun mal keineswegs auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren, sondern hätte längst Strategien ersinnen müssen, die binnenwirtschaftliche Expansion zu fördern.

So weit sind Horns Einschätzungen zwar aktuell, aber nicht neu. In seinen Alternativvorschlägen wagt sich Horn, Leiter des frisch gegründeten Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, nun an ein neues öffentliches „Ausgabenkonzept“. Im Kern läuft es darauf hinaus, die öffentlichen Ausgaben mittelfristig festzulegen und somit von konjunkturellen Tiefs zu entkoppeln. Damit soll es möglich sein, in schlechten Zeiten eben nicht noch den öffentlichen Defiziten „hinterhersparen“ zu müssen, sondern einen zuvor geplanten Ausgabenpfad einhalten zu können. In guten Zeiten sollen die Finanzen konsolidiert werden. Ähnliches fordern Nachfragetheoretiker keynesianischer Prägung schon seit langem.

Horns Ideen klingen zwar plausibel, jedoch ist es nicht ganz einfach, angesichts großer Haushaltslöcher mit einem neuen „Ausgabenkonzept“ zu beginnen. Kühn ist auch Horns Vorschlag, Investitionen schlichtweg nicht mehr in die öffentlichen Ausgaben und damit nicht mehr in die Defizitrechnungen mit einzubeziehen. Sein Argument: Nachfolgende Generationen profitierten schließlich auch von den Erträgen dieser Investitionen, daher sei diese Sonderbehandlung gerechtfertigt.

Mehr oder weniger unverblümt fordert Horn damit eine höhere Neuverschuldung. Für die LeserInnen von Wirtschaftsliteratur wäre es aber sicher auch mal interessant zu erfahren, ob es in der Historie Beispiele gibt für Länder, die sich zumindest auszugsweise in einer mit Deutschland vergleichbaren Situation befanden – und wie sich eine Sparpolitik und eine Verschuldungspolitik über die Jahre hinweg dort entwickelten, zum Guten wie zum Schlechten. BARBARA DRIBBUSCH

Gustav A. Horn: „Die deutsche Krankheit: Sparwut und Sozialabbau“. Hanser, München 2005, 197 Seiten, 19,90 Euro