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Archiv-Artikel

Die Jagd nach dem Henkel im Hirn

Volkswagenstiftung fördert mit 500.000 Euro einen internationalen Forschungsverbund zum Thema des Repräsentationsbegriffs in Philosophie und Neurowissenschaften

Eine Kaffeetasse kann einem Neurowissenschaftler schon einmal in Gestalt eines farbigen Querschnittbilds von einem Gehirn begegnen – wenn er seine Versuchsperson gebeten hat, sich ans Frühstück zu erinnern. Philosophen dagegen stellen die Frage, ob es überhaupt einen Zusammenhang zwischen der Tasse in der Vorstellung eines Menschen und dem Zustand seines Gehirns gibt. Trotz ihrer unterschiedlichen Ansätze wollen ForscherInnen aus beiden Bereichen gemeinsam verstehen, wie das menschliche Denken funktioniert. Dazu fördert die Volkswagenstiftung einen auf drei Jahre angelegten interdisziplinären Forschungsverbund. Federführend für das Projekt „Repräsentation: Theorien, Formen und Techniken“, an dem Philosophen und Neurowissenschaftler aus Hamburg, Köln und Siena beteiligt sind, ist der Bremer Philosoph Hans Jörg Sandkühler.

Wie aber können sich Philosophie und Neurowissenschaft bei ihren Forschungen gegenseitig genau unterstützen? „Da bin ich auch mal gespannt“, lacht Andreas Engel, Neurophysiologe am Universitätsklinikum Hamburg. „Ob die Tasse im Kopf einen Henkel hat, hängt vom Kontext ab. Stellt man sie sich in Gebrauch vor, hat sie wahrscheinlich einen.“ Sei die Aufmerksamkeit auf die Farbe oder den Inhalt gerichtet, könne der Griff aber auch wegfallen. Engel untersucht, welche der kleinen grauen Zellen im Hirn durch die Existenz eines Henkels in Erregung versetzt werden.

„Interdisziplinäre Projekte erfordern von allen die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen“, sagt Kai Vogeley, Psychiater und Kölner Mitglied der Forschungsgruppe. Ein erstes Vorhaben soll klären, wie der zentrale Begriff der Repräsentation in den einzelnen Fachgebieten unterschiedlich verwendet wird. „Wir werden das Rad nicht neu erfinden, aber Verständnisarbeit leisten“, sagt Vogeley. Auch Sandkühler erhofft sich von der Zusammenarbeit eine gemeinsame Rahmentheorie, in die alle Beteiligten ihre Forschungsergebnisse integrieren können. „Die sogenannte neue Unübersichtlichkeit wird oft als Preis des Pluralismus bezeichnet. Wir sehen das anders – nämlich positiv“, plädiert er zugleich dafür, nicht alles zu normieren.

Nicht immer liegt der konkrete Nutzen eines Forschungsvorhabens in den Geisteswissenschaften auf der Hand. Für die Volkswagenstiftung ist das kein Hinderungsgrund. Sie fördert gezielt Grundlagenforschung – denn praktische Anwendungen seien Sache der Industrie. Von großem Interesse sei der Ansatz des Bremer Projektes, weil die Wissenschaftler mit dem Thema der Repräsentation einen „Cluster“ identifizierten, der in verschiedenste Bereiche rage.

Für die nächsten Monate sind Tagungen und Workshops an den beteiligten Unis geplant, bei denen sich die ForscherInnen persönlich austauschen können – bei einer Tasse Kaffee, natürlich mit Henkel. Peter König