: Die Inhalte komponieren
Cutter arbeiten im Hintergrund. Doch sie sind es, die Bildern und Tönen den entscheidenden Rhythmus verleihen, Inhalten eine Wertung verpassen. Teamarbeit, technisches Know-how und Tempo sind bei der Arbeit gefordert. Viele Cutter sind Freiberufler
VON MIRKO HEINEMANN
„Rhythmus ist alles.“ Der das sagt, ist Drummer. Er hat schon in einigen bekannten Rockbands gespielt und sitzt auch heute noch regelmäßig hinter dem Schlagzeug. Doch sein Hauptjob ist der als Cutter bei einem Berliner News- und Reportagesender. Jeden Tag acht Stunden lang sitzt Jörg Hartwig in einer Flut von Bildern. Auf einem Bildschirm laufen die aktuellen Berichte der großen Agenturen, auf der anderen Seite flimmern die Nachrichten des eigenen Senders.
Hinter ihm wartet bereits ein Redakteur darauf, dass Hartwig ansprechbar ist. „Wir machen was zur Verhaftung der Mitarbeiter von Herrn Schäfer“, ruft er hinein und ist auch schon wieder weg. Jetzt muss der Cutter schnell schalten. Die Sektenkolonie Colonia Dignidad, Chile, Zuflucht für NS-Verbrecher. Sie haben also nach dem früheren Sektenchef nun auch seine Kumpanen erwischt. Hartwig stellt Bilder zusammen, Töne, Musik für Kurznachrichten, Hintergrundberichte, Biografien.
Nur wenige Mediengestalter-Berufe bieten so viel Abwechslung wie der des Cutters. Wer in einer Nachrichtenredaktion arbeitet, wird täglich mit ungefilterten Informationen konfrontiert. Er muss mit aufwändiger Digitaltechnik umgehen können und schnell arbeiten. „Newscutter“ ist ein Job mit Tempo. Das Gegenteil bei Kulturmagazinen: Wer für Kunst- oder Literatursendungen arbeitet, muss ein Faible für künstlerische Tüfteleien mitbringen, wer TV- oder gar Kinofilme schneidet, muss erzählen können. Immer aber ist die Lust auf den Umgang mit Bildern und Tönen gefragt.
Einen Überblick über den technischen Stand des Bildschnitts liefern Musikvideos und Werbeclips. Hier wird die Messlatte angelegt, an der sich auch die Profis im Geschäft orientieren. „Musikvideos – das ist das Größte“, sagt auch Hartwig. Wer Cutter werden möchte, auch „Video-Editor“ oder „Mediengestalter Bild und Ton“ genannt, sollte denn auch ein gutes Rhythmusgefühl mitbringen, denn was auch immer man schneidet: Musik ist fast immer dabei. „Einen guten Beitrag zu machen ist wie einen guten Song zu produzieren. Technische Tricks sind dabei nicht so wichtig. Wichtig ist, dass der Song gut ist.“
Die Beherrschung der komplexen Technik ist Grundvoraussetzung. Von analogem Bandschnitt bis zu computerbasierten Digitalschnittsystemen – Cutter müssen mit der gesamten Palette der Technik umgehen können, die derzeit genutzt wird. Noch wichtiger als technische Begabung und Rhythmusgefühl ist allerdings die Befähigung zur Teamarbeit. Cutter bestimmen die Produktionszeiten und arbeiten eng mit Regisseuren und Autoren der Filmbeiträge zusammen. Und sie tragen Verantwortung. Sie haben nicht nur Einfluss auf Bildgestaltung und Ästhetik, sondern auch auf Inhalte. „Die Bilder“, sagt Hartwig, „die ich von einem Menschen aussuche, vermitteln den zentralen Eindruck. Ich kann ihn sympathisch oder unsympathisch aussehen lassen. Ich kann seine Aussage konterkarieren oder unterstützen.“
Bei den Ansprüchen moderner Fernsehanstalten ist „Learning by doing“ kaum mehr drin. Die Ausbildungsgänge sind vielfältig. Neben dem Abschluss an einer staatlichen Filmhochschule mit Fachrichtung Schnitt gibt es seit 1996 eine staatlich anerkannte Berufsausbildung zum Film- und Videoeditor. Dazu bieten private Medienakademien Ausbildungen an, an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg wird ein Hochschulstudium mit dem Abschluss „Diplom-Schnittmeister“ angeboten. In jüngster Zeit werden auch immer öfter Ausbildungen zum „Videojournalisten“ angeboten. Hier bekommt man einen Einblick in Tätigkeitsfelder der TV-Berichterstattung.
Der erste Schritt in den Beruf sollte ein Praktikum in einem Sender oder Schneidestudio sein, um zu beurteilen, ob der Job einem überhaupt liegt. Hartwig hat bei einer Medienakademie gelernt und wurde direkt im Anschluss seines Berufspraktikums vom Sender übernommen. Die Regel sind solche glatten Übernahmen nicht. Mit einer Jobgarantie kann keiner rechnen, Cutter müssen sich darauf einstellen, als Freiberufler für verschiedene Firmen zu arbeiten.
Und sie müssen damit rechnen, dass der Rhythmus fortan ihr Leben bestimmt. Wie bei Hartwig: Sobald er aus dem Trommelfeuer der Nachrichtenbilder heraus ist, wartet die Musikband auf seinen Einsatz.
Bundesverband Filmschnitt-Cutter e. V., Kaiserstr. 41, 80801 München, Tel. (0 89) 33 65 73, www.bfs-cutter.de