Seltsame Welt des Glaubens

Wird der Heilige Geist beim Konklave walten? Und was hat das mit gesellschaftlichen Werten zu tun? Einige religiös unmusikalische Fragen zu den Regeln der Papstwahl

Montag beginnt das Konklave. Schon seit einigen Tagen ist in diesem Zusammenhang ein Chor frommer Wünsche zu registrieren. Bischof Wolfgang Huber etwa wünscht sich einen toleranteren Papst – sein gutes Recht! Wer sich in diesen Tagen aber daranmacht, sich einmal genauer darüber zu informieren, was beim Konklave geschieht, dem kann der Adressat solcher frommen Wünsche unklar werden.

Genau genommen müssten sie sich an Gott selbst wenden – denn er ist es nach gültiger katholischer Lehre, der den Papst bestimmt; die Versammlung der Kardinäle ist nur sein Vehikel dazu. Kann aber ein evangelischer Bischof Gott bitten, den Katholiken einen toleranten Papst zu schenken? Das wäre doch seltsam. Huber kann nur an die Kardinäle appellieren, einen toleranten Papst zu wählen – würde sie damit aber theologisch nicht ernst nehmen, weil die Kardinäle keinen menschlichen, sondern Gottes Willen erfüllen sollen. So ist das ja immer mit dem Glauben: In Wischiwaschi-Manier darüber zu räsonnieren ist leicht. Sobald man ihn aber ernst nimmt, wird es kompliziert.

Nachzulesen sind die Regeln fürs Konklave in der Schrift „Ordo Rituum Conclavis“ (greifbar unter www.dbk.de); interessant ist auch „Universi Dominici Gregis“ (www.vaticanhistory.de). In letzterem Aufsatz steht verbindlich drin, dass der neue Papst „sich in Demut dem Plan des göttlichen Willens“ fügen möge; auch die Eidesformel, die jeder Konklaveteilnehmer spricht, enthält die Formulierung, dass man durch „Gottes Fügung zum Papst gewählt wird“. Wobei sich schon die erste Frage stellt, ob man Kardinal Ratzinger, genau genommen, nicht Blasphemie vorwerfen muss; er soll ja hinter den Kulissen die Strippen ziehen – Gottes Willen allein scheint er nicht recht zu trauen.

Es stellt sich auch die zweite Frage, wie denn die Kardinäle Gottes Willen eigentlich erkennen sollen. Durch den Heiligen Geist, sagt die katholische Kirche; aber wird er beim Konklave auch walten?

Das scheint unklar zu sein, anders sind die vielen Beschwörungsformeln, mit denen er in die Sixtinische Kapelle gebeten wird, kaum zu interpretieren. Unter dem Gesang des „Veni Creator Spiritus“, den Beistand des Heiligen Geistes also erflehend, ziehen die Kardinäle in die Sixtinische Kapelle ein. Letztlich können sie nur hoffen – oder eben daran glauben –, zum Werkzeug des Heiligen Geistes zu werden. Die Tradition der Bibelkritik, nach der niemand sicher sein kann, dass Gott selbst zu ihm spricht, ist auch an ihnen nicht spurlos vorübergegangen.

Im Ernst: Vom Werkzeug Gottes zum profanen Glaubensdarsteller innerhalb einer theatralischen Ritualwelt ist es da nur ein Schritt – und was machen die Kardinäle, die bis zum Schluss den falschen Kandidaten gewählt haben; müssen sie Selbstkritik üben, weil sie Gottes Fügung nicht erkannten? Seltsame Welt des Glaubens! Auf diesem Fundament sollen, wie hier und da gefordert, unsere gesellschaftlichen Werte gründen?

Also, wenn Sie mich fragen: Die republikanischen Werte, die sich von der Tradition der Aufklärung herleiten, klingen irgendwie überzeugender fundiert. DIRK KNIPPHALS