: Wo laufen sie denn?
Das neuartige DVD-Magazin „Slices“ könnte dem siechen Musik- und Klingeltonwerbefernsehen den Rest geben. Denn da gibt’s die Videos
VON ANDREAS HARTMANN
So unerträglich wie die Werbung für Klingeltöne, mit der man auf Viva und MTV im Minutentakt gefoltert wird, so unerträglich ist eigentlich nur noch das Gejammer über ebendiese Werbung für Klingeltöne. Man sollte sich endlich einfach mit der Realität abfinden: Das Musikfernsehen, wie wir es einmal kannten, ist am Ende, und wer die Partybiene, den besoffenen Hirsch und den übrigen Jamba-Klingelton-Zoo nicht erträgt, sollte sich von ihm eben möglichst fern halten. Es ist ja auch schon wieder Besserung in Sicht. Denn wer etwas mit elektronischer Musik anzufangen weiß, der kann sich nun sein gutes altes Musikfernsehen via DVD-Player ins Haus holen.
„Slices“ (Scheiben) nennt sich das Format, das ein wenig Licht am Ende des Tunnels verspricht und das erste DVD-Magazin auf dem deutschen Markt überhaupt ist. Es versteht sich als „Ergänzung und nicht Konkurrenz“ zu herkömmlichen Printmagazinen über elektronische Musik, so „Slices“-Macher Holger Wick, und natürlich als Ersatz zum lebendig begrabenen Musikfernsehen. Die erste Ausgabe des Magazins ist eben erschienen, drei weitere sollen dieses Jahr in einer Auflage von jeweils 20.000 Stück folgen. Die DVDs liegen kostenlos in ausgesuchten Plattenläden aus, nicht nur in Deutschland, sondern in insgesamt sieben europäischen Ländern. Sponsor ist T-Mobile, die unter der Marke „Electronic Beats“ bereits eine Sendung für elektronische Musik auf Viva hatten, die Ende 2002, als Viva mit seinem Umstrukturierungs-Marathon begann, wieder eingestellt wurde.
Die Idee, ein DVD-Periodikum für elektronische Musik herauszubringen, hatte Holger Wick, nachdem er mit seiner Firma Sense Music & Media mit „Berlin Digital“ eine DVD konzipiert hatte, die sich der Elektronik-Szene in Berlin widmete.
Die DVD schien ihm das optimale Medium dafür zu sein, einerseits DJs und Musikproduzenten nicht nur zu Wort kommen zu lassen, sondern sie auch in ihrem Umfeld oder in ihren Arbeitsalltag integriert zu zeigen. Und um andererseits eine Plattform für Video-Clips zu bieten, die bei Viva und MTV keine Chance mehr haben, gezeigt zu werden.
Wick findet, dass sein Medium letztlich sogar dem überkommenen Musikfernsehen überlegen sei, denn mit seiner DVD, die nur in speziellen Plattenläden verteilt wird, komme man einfach „näher an die Zielgruppe heran“, die man ansprechen wolle. Tatsächlich wirkt das Konzept von Slices ziemlich schlüssig.
Alle Beteiligten scheinen von dem Projekt profitieren zu können. Als Konsument bekommt man tolle Clips zu sehen, wie etwa die Musikvideos von Nightmares On Wax oder Funkstörung, die ohne „Slices“ wohl mehr oder weniger für den Müll produziert worden wären.
T-Com kann sich außerdem als Förderer innovativer neuer Ideen präsentieren und die porträtierten Musiker haben wieder ein visuelles Medium, um ihre neuen Platten oder einfach nur sich selbst zu bewerben.
Um Letzteres geht es bei „Slices“ dann allerdings ein wenig zu sehr. Der Blick hinter die Kulissen, den das DVD-Magazin verspricht, bedeutet leider nicht, dass man eventuell auch die Schattenseiten des DJ-Business oder eine irgendwie geartete Kritik präsentiert bekommt. Vielmehr passiert in sämtlichen Porträts eigentlich immer dasselbe: Man trifft einen Musiker, meist in seinem Büro, und der erzählt dann munter vor sich hin, wie toll alles so läuft. Da helfen dann auch die Special Effects nichts mehr, die mit einem Feuereifer eingesetzt werden, als wolle man klar machen, dass man inzwischen auch von der MTV-Ästhetik mehr versteht als MTV selbst: Die meisten Features sind leider einfach nur langweilig.
Dabei läge gerade im Verzicht auf die sinnlosen schnellen Schnitte und in der Herausarbeitung kleiner Geschichten rund um einen Musiker die Chance, deutlich zu machen, dass man sich von den inhaltsleer gewordenen Musikkanälen eindeutig distanzieren möchte.
Oder man sucht sich für die nächste Ausgabe einfach mehr derart exzentrische Persönlichkeiten wie Wolfgang Voigt, den Chef des Kölner Techno-Imperiums Kompakt. Den Technodandy in gesetztem Alter in seinem Ohrensessel sitzen zu sehen und ihm dabei zuzuhören, wie er seinen Laden mit Andy Warhols Factory vergleicht und davon träumt, mal so zu enden wie Karl Lagerfeld, das sind Momente, von denen man in Zukunft bei „Slices“ mehr haben möchte.