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Archiv-Artikel

Mit UN-Geld neue Waffen kaufen

Die irregulären Milizen in Kongos Kriegsregion Ituri wollen weiterkämpfen, obwohl sie sich offiziell entwaffnet haben. Trotzdem beendet die UNO ihren Schutz von Vertriebenen

BUNIA taz ■ Der Mann hat eine lange Narbe am Unterarm – ein Andenken an seine Zeit als Milizionär. Vier Jahre lang kämpfte er im kongolesischen Distrikt Ituri mit der Hema-Miliz UPC (Union kongolesischer Patrioten) gegen die Lendu-Miliz FNI (Nationalistische Kräfte für Integration), die zu zehntausenden Hema vertreibt. Dann drohte die UN-Blauhelmmission im Kongo (Monuc), Gewalt gegen jeden Kämpfer anzuwenden, der nicht bis zum 1. April die Waffen freiwillig niedergelegt hat. Das UN-Angebot von 50 US-Dollar pro Waffe nahm der Milizionär mit Freude an. „Der Kampf ist noch nicht zu Ende“, sagt er aber jetzt. „Die UPC wird sich neu formieren – die 50 Dollar helfen uns sehr.“

Offiziell hat die UPC vor wenigen Tagen das Ende ihres Kampfes proklamiert, und offiziell entwaffneten sich nach UN-Angaben von dieser Woche 10.022 der schätzungsweise 15.000 Milizionäre in Ituri. Aber die meisten abgegebenen Waffen sind rostige Gewehre. Und: „Wer glaubt, dass die Milizionäre nur eine Waffe besitzen, versteht die Mentalität der Milizen nicht“, kritisiert in Ituris Hauptstadt Bunia Silvio Sambuco von der Deutschen Welthungerhilfe, dem größten privaten Hilfswerk in der Region.

Monuc glaubt, dass ihre Taktik aufgehen wird. „Das Ultimatum ist zwar abgelaufen, aber die Türen stehen weiterhin für jeden offen, der seine Waffen abgeben möchte“, sagt Monuc-Sprecherin Rachel Eklou in Bunia. Die Vereinten Nationen sind sich ihrer Sache so sicher, dass UN-Truppen, die tausende Hema-Vertriebene vor den Lendu-Milizen beschützt haben, abgezogen werden. Zum Beispiel aus dem Flüchtlingslager Kafe am Ufer des Albertsees, eingekesselt von steilen Berghängen. Oder aus dem größten Lager Tche. Beide werden nun von Kongos regulärer Armee kontrolliert, und in beiden wütet die Cholera.

„Jetzt muss der Kongo von der eigenen Armee beschützt werden“, sagt ein pakistanischer Offizier. Inoffiziell drücken sich pakistanische UN-Soldaten anders aus. „Wir lassen die Menschen in Tche zum Sterben zurück, weil wir den Befehl haben, nach Bunia abzuziehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Kämpfe wieder ausbrechen“, sagt einer.

Seit dem Ende des UN-Ultimatums werden Fahrzeuge der Deutschen Welthungerhilfe außerhalb der hermetisch abgesicherten Stadt Bunia wieder von Milizen angehalten und kontrolliert – sie sind auf der Suche nach den Gehältern der angestellten Einheimischen. „Vielleicht wissen die Milizen, dass ihre Tage gezählt sind, und wollen noch so viel Geld rauben wie möglich“, meint DWHH-Mitarbeiter Rudi Sterz. Oder sie brauchen Geld für neue Waffen. Eine Kalaschnikow kostet auf Bunias Schwarzmarkt 15 Dollar.

Die Lendu-Milizen, vor denen die Hema-Flüchtlinge Angst haben, geben sich friedlich. „Wir wollen unsere Waffen abgeben und mit Monuc kooperieren“, sagt Raymond Kisali Mopondu, „Verteidigungsminister“ der FNI. In Bunia wird gemutmaßt, die FNI gebe sich kooperativ, damit die UNO bei den nächsten FNI-Angriffen auf Hema wegsieht.

Schon scheint Ituri wieder unruhig zu werden. Einen Tag nach Ablauf des Ultimatums griffen UN-Truppen ein Camp der mit der FNI verbündeten Miliz FRPC im Ort Bolonzabo an. 38 Milizionäre wurden getötet. Am 12. April griffen UN-Verbände erneut FRPC-Stellungen südlich von Bunia mit Hubschraubern an. Zur gleichen Zeit gerieten Armeekonvois auf dem Weg nach Tche in einen Hinterhalt. Zwei Milizionäre wurden getötet – in einem Gebiet, das die UNO als „milizenfrei“ proklamiert hatte.

CARSTEN STORMER