: Die Schwierigkeiten des Bahnbaus im Wilden Westen
Kommunal- und Landespolitiker am Niederrhein drängen vor der Landtagswahl auf den Ausbau der deutsch-niederländischen Bahnstrecke Betuwe. Sie hoffen, einen mittlerweile 13 Jahre andauernden Finanzierungs-Streit zwischen Bund, Land und der Deutschen Bahn beenden zu können
NIEDERRHEIN taz ■ Die Erschließung des Wilden Westens am Niederrhein nimmt ähnlich Zeit in Anspruch wie der Bau der ersten Bahnstrecke durch die USA: Während der Ausbau der deutsch-niederländischen Güter-Bahnstrecke Betuwe auf der westlichen Seite der Grenze voran kommt, stockt der Ausbau auf deutscher Seite. „Wir befürchten, dass wir bei der Betuwe im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke bleiben, während die Holländer schon Ende 2006 inklusive Lärmschutz fertig sind“, sagt Bruno Ketteler (CDU), Bürgermeister der Stadt Rees und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Betuwe, in der sich mehrere Stadtoberhäupter und Initiativen entlang der Strecke zusammen geschlossen haben.
Die Bürgermeister zwischen Emmerich und Oberhausen haben die Verantwortlichen für das Stocken der Betuwe-Pläne ausgemacht: Es entstehe der Eindruck, dass sich beim Thema Betuwe ein „Verschiebebahnhof der Verantwortlichkeiten“ zwischen Bahn, Bund und Land entwickle, heißt es in einem Brief an NRW-Verkehrsminister Axel Horstmann, Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (beide SPD) und Deutsche-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn.
Grund der Aufregung ist ein Schreiben Mehdorns an den CDU-Fraktionsvize im Bundestag, Ronald Pofalla, in dem der Bahn-Chef die Fortführung des Projekts in Frage gestellt hatte. Die Landes-Unterschrift zum Finanzierungsvertrag und die Zusage zu den Geldern für die Erneuerung der Steilwerkstechnik und den dreigleisigen Ausbau der Gleise fehlten, lautete die Begründung. Die Bahn werde erst nach Abschluss der Vorplanungen für Schallschutz und drittes Gleis über den Ausbau entscheiden, so Mehdorn. NRW-Verkehrsminister Axel Horstmanns (SPD) reagierte seinerseits in einem Zeitungsinterview: Man müsse Druck machen, die Bahn sei zu spät dran. „Für die betroffenen Bürger ist dieses „Schwarze-Peter-Spiel“ gänzlich inakzeptabel“, schreibt nun Bürgermeister Ketteler in seinem Brief.
Der Streit um die Betuwe läuft seit 1992. Damals einigten sich die Niederlande und Deutschland auf eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrs mit Hilfe einer Güterstrecke zwischen Rotterdam und dem Ruhrgebiet. Trotz Klagen der Anlieger hielt die Landesregierung noch 1999 mit dem damaligen NRW-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück an der „notwendigen Entlastung der Haupttransportstraßen in NRW“ an der Betuwe-Linie fest. Vor Ort gaben sich – ob Schwanhold, Bodewig oder Horstmann – die verschiedenen Verkehrsminister die Zugklinke in die Hand, um die Notwendigkeit der Zugstrecke zu unterstreichen.
In einer Vereinbarung mit den Bund und dem Land verpflichtete sich die Bahn im Jahr 2002, die Gesamtplanung für den Streckenausbau samt drittem Gleis, vorzeitigem Lärmschutz und Bahnübergangsbeseitigungen binnen zwei Jahren vorzulegen. Das Land NRW sollte dafür 36 Prozent der Kosten von rund 900 Millionen Euro tragen.
Im Juli 2003 wurde die Strecke dann tatsächlich in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Doch schon damals gab es Gerüchte um einen allgemeinen Planungsstopp der Bahn für Projekte, die nicht existenziell für den laufenden Betrieb sind. Und immer wieder tauchten auch Zweifel an der Finanzierung auf. „Da ist ja noch nicht mal eine Anschubfinanzierung möglich“, polterte beispielsweise die Hamminkelner-Sozialdemokratin Gunhild Sartingen im Oktober 2004, nachdem der Bund lediglich drei Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren für den Ausbau der Strecke in Aussicht gestellt hatte.
Vor der nahenden Landtagswahl wollen die rot-grünen Wahlkämpfer das Thema nun vom Tisch haben: „Uns fehlen auch Zahlen über den Güterverkehr auf der Strecke und über das weitere Verkehrsaufkommen“, sagt SPD-Regionalratsmitglied Klaus Bechstein. „Die Deutsche Bahn ist das Problem, weil sie sich nicht ins Zeug legt“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Oliver Keymis. Zudem müsse auch der Bund nachbessern. In die gleiche Kerbe schlägt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Horst Vöge: „Was Vorfinanzierungen angeht – siehe Metrorapid – sind wir vorsichtig. Was aber nicht geht ist, dass die Niederländer die Autobahnseite schon so ausbauen, dass die da Verkehrsknotenpunkte als Umladestation für LKW einrichten.“ ALEXANDER FLORIÉ