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Archiv-Artikel

Statistisch gehäuft

Boom beim Bachelor: 120 Plätzen für Übungen zur Statistik stehen doppelt so viele StudentInnen aus Soziologie und Politologie gegenüber

Bremen taz ■ „Das ist hier ja schon wie beim Arbeitsamt“, mault einer. Freitagmorgen, Viertel vor neun – für viele StudentInnen keine übliche Zeit, sich an der Uni zu zeigen. Trotzdem warten manche schon über eine Stunde vor der verschlossenen Tür neben dem Büro des Soziologieprofessors und Statistikers Uwe Engel. Immerhin geht es um ein knappes Gut – Plätze in einer Pflichtveranstaltung.

Wer einen Bachelor in Soziologie oder Politikwissenschaft anstrebt, muss ein Tutorium in Statistik besuchen. In diesem Semester gibt es nur 120 Plätze für etwa 240 Studierende. Von denen verstopft jetzt ein großer Teil den Flur vor dem Sekretariat. „Hängen die Listen schon?“, fragt man sich am Ende der Schlange. Vorne steigt eine Studentin auf den Tisch und ruft: „Nach dem Eintragen alle zum Dekan – wir beschweren uns!“ Die Luft ist aufgeheizt, die Stimmung ebenfalls. Auf Schleichwegen haben sich besonders Schlaue an die Spitze der Wartenden gemogelt. „Entweder stellen wir uns alle an oder gar niemand“, ruft jemand. „Wenn das hier eine Schlange ist, dann eine seltsame“, murmelt eine Soziologiestudentin.

Als die Tür endlich aufgeht, macht Entwarnung die Runde: Platz im Tutorium soll jetzt doch für alle da sein. Dafür finden die Übungen im Wechsel nur alle vierzehn Tage statt. Stellenweise versucht man sich an Applaus, andere verstehen nicht, warum man sich über diese Nachricht freuen sollte.

„Natürlich ist das keine optimale Lösung, aber besser als nichts“, räumt Professor Uwe Engel ein. Geld für zusätzliche Übungsgruppen wäre da, aber: „Geeignete Lehrbeauftragte, die sich die Leitung eines Tutoriums zutrauen, sind schwer zu bekommen.“ Nicht viele SoziologInnen seien in Statistik besonders versiert – und Lehraufträge an der Uni werden nur mäßig bezahlt. Studierende höherer Semester kommen als Tutoren für Engel nicht in Frage: „Dafür ist der Stoff zu schwer.“

Dass alle 240 Studierenden gleichzeitig zur Anmeldung kommen würden, hat den Professor allerdings überrascht: Eigentlich sollte sich der Andrang über drei Tage verteilen. Ganz ungeduldige konnten noch nicht einmal bis zum Freitag warten. Schon einen Tag vorher haben sie das Sekretariat bestürmt.

Nach einer guten Stunde ist die Aufregung vorbei, die Tutorien sind voll, aber jeder hat einen Platz. In Politologie und Soziologie wächst die Zahl der Erstsemester aber weiter an. Im nächsten Jahr droht eine Neuauflage des Problems. Ob es die Wartezeit in der Schlange verkürzt, wenn dann das Studium vielleicht gebührenpflichtig ist?

Peter König