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Archiv-Artikel

Deutschland entwickelt sich zurück

Finanzminister Hans Eichel rückt von Kanzler-Zusagen an die UNO über schrittweise Erhöhung der Entwicklungshilfe ab: „Keine Beschlusslage“. UN-Generalsekretär Kofi Annan erhofft Aufklärung vom heutigen Gespräch mit Heidemarie Wieczorek-Zeul

VON ANDREAS ZUMACH

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat am Wochenende in ungewöhnlich deutlicher Weise die verbindliche Zusage von Deutschland an die UNO, ihre Entwicklungshilfe zu erhöhen, wieder in Frage gestellt.

Dabei hatte die Bundesregierung öffentlich versichert, mit der schrittweisen Erhöhung der deutschen Entwicklungshilfe von derzeit 0,28 auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts (BSP) bis zum Jahr 2014 aktiv zur Umsetzung der „Millenniumsziele“ wie der Halbierung der weltweiten Armut bis 2015 beizutragen.

Doch jetzt rudert Eichel zurück: Zur Rede von Deutschlands UNO-Botschafter in New York, Gunther Pleuger, der am 7. April die Zusage vor der Generalversammlung bekräftigt hatte, erklärte Eichel am Rande der G-7-Finanzministerkonferenz in Washington: „Diese Zusage hat Herr Pleuger auf eigene Rechnung gemacht, eine entsprechende Beschlusslage der Bundesregierung gibt es nicht.“

Die Erklärung des Finanzministers vom Wochenende sorgte für erhebliche Irritationen in der New Yorker UNO-Zentrale. Generalsekretär Kofi Annan erhofft sich Aufklärung über die deutsche Haltung von einem Gespräch mit Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) heute Nachmittag. Dabei geht es explizit um den „Beitrag der Bundesregierung“ zur Umsetzung der Millenniumsziele, so die Ankündigung der deutschen UNO-Vertretung.

Botschafter Pleuger hatte am 7. April vor der Generalversammlung erklärt: „Der deutsche Kanzler und der Außenminister haben kürzlich einen Zeitplan verkündet für die fristgerechte Umsetzung der Millenniumsziele. Deutschland wird den Anteil der Entwicklungshilfe am BSP im Jahre 2006 auf 0,35 Prozent steigern, auf 0,5 Prozent bis 2010 und bis 2014 die 0,7 Prozent erreichen.“ Nach bisherigen Berechnungen würde das in den nächsten neun Jahren Mehrausgaben von mindestens 15 Milliarden Euro erfordern. Am 22. März hatte Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) diesen Zeitplan öffentlich als „verbindlich“ bekräftigt und hinzugefügt, die Millenniumsziele seien lediglich „das soziale Minimum in einer globalisierten Welt“.

Eichel machte eine deutliche Erhöhung der Entwicklungshilfe am Wochenende jedoch abhängig von einer Einigung zumindest unter den G-7-Staaten auf „neue Finanzierungsinstrumente“ wie zum Beispiel Steuern auf Flugbenzin oder spekulative Finanzgewinne. Doch deren Durchsetzung ist mehr als ungewiss (siehe Text unten).