Der einzig wahre Saftladen

REGIONALES Die Buchholzer Kelterei ist Berlins einziger Safthersteller. Der Pankower Familienbetrieb setzt auf Produkte aus heimischen Gärten – Äpfel, Tomaten, Birnen und Rhabarber können dort verkauft oder gegen Saft eingetauscht werden

In manchen Berliner Edeka- und Rewe-Filialen gibt es einen ganz besonderen Saft zu kaufen. So unscheinbar kommt er daher, dass man die Marketingabteilung des Herstellers verdächtigen könnte, sie wolle Kunden von diesem Produkt fernhalten. „Buchholzer“ steht darauf – kein Vergleich mit den üblichen Sprachschöpfungen der Saftindustrie. Äußerlich können die Flaschen zwar nicht mit den ganz Großen mithalten, aber sie punkten mit ihrem Innenleben: In den „Buchholzer“-Sorten steckt Obst und Gemüse aus der Region.

„Kleingärtner aus Berlin-Brandenburg sind unsere Hauptlieferanten“, erklärt Christina Laue, die Geschäftsführerin der Buchholzer Kelterei – jeder Kleingärtner kann Obst und Gemüse auf dem Betriebshof im Pankower Ortsteil Buchholz verkaufen oder gegen Saft eintauschen. Nur wenn die Ernte schlecht ist, kauft die Firma von außerhalb der Region zu.

Der Kleinbetrieb ist Berlins einziger Safthersteller, die zehn Mitarbeiter befüllen jährlich rund 600.000 Flaschen mit Saft. Das Familienunternehmen hat einen langen Weg hinter sich. Es erreichte, was wenigen Ostunternehmen vergönnt war: DDR und Wendezeit zu überstehen.

Verstaatlichung abgewehrt

Die Geschichte der Kelterei beginnt im Sommer 1962, als der Thüringer Edmund Breitbarth nach Ostberlin kommt, um die alte Kelterei aus den 1930er Jahren zu kaufen. Zehn Jahre später sollte der Betrieb verstaatlicht werden. Breitbarth wehrt sich, die Politik reagiert: „Die staatlichen Stellen schickten Leute auf unseren Hof, um die Arbeiter gegen uns aufzuwiegeln“, erinnert sich Gründertochter Christina Laue. Nur dank eines Fürsprechers im Rathaus kann die Familie ihre Unabhängigkeit bewahren. Der Kelterei wird zugutegehalten, dass sie die Ernte der Bevölkerung preiswert in Saft verwandelt.

Die Wendezeit wird zu einer weiteren Herausforderung: Als die Kaufkraft im Osten durch die Massenarbeitslosigkeit sinkt, rettet sich die Buchholzer Kelterei, indem sie auf den nahen Westberliner Markt expandiert. 1992 übernimmt die heute 60-jährige Laue das Unternehmen von ihren Eltern: „Nicht, weil mich Saft fasziniert. Ich habe den Betrieb aus Verpflichtung weitergeführt, weil die Eltern ihn unter harten Bedingungen aufgebaut hatten.“

Über die Region ist der „Buchholzer“ nie hinausgekommen: „Wir bedienen den hiesigen Markt, das reicht uns“, sagt Laue. Das Sortiment hat sich allerdings seit der Wende von 8 auf 40 Sorten erhöht. Zum Erfolgsbringer entwickelte sich in den letzten Jahren der Rhabarbersaft. Nach Apfel- und Kirschsaft erzielt die Firma damit den größten Umsatz bei den regionalen Säften. „Früher in der DDR war der Saft eigentlich verpönt. Die Bevölkerung war allgemein übersättigt mit Rhabarberprodukten. Aber nun wird er im Sommer erfolgreich als Schorle oder mit einer Kugel Vanilleeis serviert“, erzählt Laue.

Wegen der großen Konkurrenz führt die Firma nur wenige Bioerzeugnisse. Seit der Wende machte dem Betrieb aber weniger die Großindustrie als der Klimawandel zu schaffen: Durch einen Baumpilz gingen in den späten 90ern die Birnen aus der Region massiv zurück. Erst seit verstärkt ein neuer resistenter Baumtyp gepflanzt wurde, konnte der Abwärtstrend gebrochen werden. In den letzten beiden Jahren hat sich nun die Kirschernte verschlechtert – wieder ist ein Pilz die Ursache, der sich rasch verbreitet. „Unsere Aufzeichnungen seit der Wende zeigen“, sagt Laue, „dass wir noch nie so viel von außerhalb zukaufen mussten wie 2010 und 2011.“

Die Zukunft ist offen

Für den Betrieb ist zudem problematisch, dass immer mehr Kleingärten in der Region verschwinden. „Früher war Buchholz voller Gärten. Viele wurden verkauft und bebaut. Und immer weniger Leute haben heute die Zeit, einen Kleingarten zu unterhalten“, sagt die Firmenchefin. Ihre Tochter Daniela, 38, würde den Betrieb eines Tages gern übernehmen – so es sich dann noch lohnt. „Wenn wir immer mehr zukaufen müssen, rechnet sich das nicht mehr“, meint Christina Laue.

Im Gegensatz zu der Tochter genießt die Mutter die Fruchtsäfte nicht pur, als Diabetikerin kann sie sie nur verdünnt trinken. Was sie antreibt, ist die positive Resonanz aus der Bevölkerung: „Die Kunden schätzen unsere gleichbleibend hohe Qualität.“ Und noch einen Pluspunkt sieht sie beim eigenen Produkt: „Im Gegensatz zum Tetrapak sieht man bei unseren Glasflaschen, was drin ist.“ ULRICH GOLL