Brot ohne Butter

Bei Gruner + Jahr regiert der Rotstift: „Stern“-Archiv vor dem Aus. Offenbar Kooperation mit „Spiegel“ geplant

Es klingt schräg: Einst war die Abteilung Dokumentation das „Vorzeigeprojekt“ des Hamburger Verlags Gruner + Jahr (G+J) und zählte zu den besten Verlagsarchiven der Welt. Jetzt soll sich die Abteilung bei einer Ausschreibung für eine Dokumentation im eigenen Haus bewerben. Für die über 40 Betroffenen ist dies ein Popanz: „Die Verlagsleitung des stern macht keinen Hehl daraus: Die Schließung der Dokumentation ist die aktuelle Option“, heißt es in einem Flugblatt.

Vor 30 Jahre leistete sich G+J für sein Flaggschiff stern einen journalistisch-qualitativen Luxus: Eine Dokumentation, die für die Redaktion recherchiert und Texte aus über 200 Quellen archiviert. 10,3 Millionen Texte sind derzeit unter Schlagworten gespeichert. Inzwischen ist dieser Luxus innerhalb des Verlags als „Profitcenter“ privatisiert worden, die Abteilung muss kostendeckend arbeiten. Das bedeutet, jede G+J-Zeitschrift, die Dienste in Anspruch nimmt, muss dafür zahlen. Da der stern Hauptkunde ist und sieben Millionen Euro sparen muss, setzt hier der Rotstift an: „Es gibt überall im Haus ein Ergebnissicherungsprogramm“, bestätigt G+J-Sprecher Kurt Otto, und dieses sei „ergebnisoffen“.

Nun gibt es Bestrebungen, künftig das Spiegel-Archiv zu nutzen. Das Montagsmagazin hat just das Springer-Archiv aufgekauft, arbeitet nicht als Profitcenter und kann daher die G+J-„Doko“ bei der Ausschreibung unterbieten. Von „Empörung und Fassungslosigkeit“, berichtet G+J-Betriebsrat Thomas Thielemann: „Wir lassen uns nicht die Butter vom Brot nehmen.“ Auch in der stern-Redaktion herrscht Unruhe. „Dann kennt der Spiegel jedes Thema, an dem wir arbeiten.“ KAI VON APPEN