: Spitzenunis ganz allein für Bayern
Elite-Hochschulen sind wieder angesagt – eine vom bayerischen Wissenschaftsministerium beauftragte Kommission fordert, die Spitzenforschung im Freistaat auf wenige Standorte zu konzentrieren. Andere Unis sollen dagegen nur noch ausbilden
AUS MÜNCHEN JÖRG SCHALLENBERG
Es ist sicher kein Zufall, dass eine bayerische Expertenkommission just in dem Moment ihre Vorstellungen zu Elite-Unis präsentierte, als die Wissenschaftsminister der Länder sich zu einem gemeinsamen Kompromiss durchgerungen hatten. Signal: Macht doch, was ihr wollt, wir Bayern kommen auch ohne euch ans Ziel. Die Länder machten, was sie wollten – der Kompromiss zerbröselte an der Blockadehaltung einiger Unions-Ministerpräsidenten, das Projekt Spitzenunis ist bis auf Weiteres verschoben, alles bleibt, wie es ist. Nicht so in München.
Das bayerischen Wissenschaftsministerium hat vor einigen Monaten eine eigene Expertenkommission um den Konstanzer Philosophieprofessor Jürgen Mittelstraß eingesetzt, mit dem Arbeitsauftrag, ein speziell auf Bayern zugeschnittenes Modell für ein „Wissenschaftsland 2020“ zu entwerfen.
Im Mittelpunkt der Mittelstraß’schen Vorschläge steht die alte Idee der Elite-Unis, die aus dem Ministerium von Edelgard Bulmahn (SPD) stammt und nicht zuletzt deshalb von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) brüsk zurückgewiesen wurde.
Die Mittelstraß-Kommission schlägt vor, die Spitzenforschung auf wenige Standorte zu fokussieren. In Bayern wären das neben München noch Erlangen und Würzburg. Die restlichen Universitäten übernähmen die Rolle von Zulieferern für den wissenschaftlichen Nachwuchs, das heißt, sie konzentrierten sich voll auf die Ausbildung. So bescheinigt die Kommission etwa Augsburg, Bamberg und Passau, „für die wissenschaftliche Ausbildung und fachliche Spezialisierung unverzichtbar“ zu sein – aber für mehr langt es eben nicht. Ansonsten gesteht man diesen Hochschulen gerade noch zu, „für die regionale Strukturentwicklung eine zentrale Rolle“ zu spielen. Von Forschung ist da keine Rede mehr.
Die Mega-Elite-Uni würde den Vorschlägen zufolge in München entstehen. Die beiden Hochschulen Technische Universität und die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) würden sich zu einem Wissenschaftsstandort vereinen, um laut Abschlussbericht eine „konsequente Campusbildung zu betreiben“. Die Naturwissenschaften sollen ausgelagert werden und an vier eigenständigen Standorten neu entstehen: Biologie und Medizin kämen nach Großhadern, Ingenieur- und andere Naturwissenschaften nach Garching, Agrar- und Umweltwissenschaften samt Tiermedizin nach Freising, am altehrwürdigen Standort um die Ludwigstraße blieben lediglich Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften erhalten. Jeder Campus soll seine eigene Struktur bestimmen und separat geleitet werden.
Wie weit diese Autonomie reichen soll, wurde allerdings nicht konkret festgelegt. Fest vorgesehen ist hingegen ein Lenkungsausschuss, der für alle Standorte gemeinsam zuständig ist – was Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München, prompt als „Gedanken an eine große koordinierte Universität“ interpretierte. Herrmann hatte lange Zeit eine Fusion der beiden Münchner Unis gefordert, war aber auf heftigen Widerstand von LMU-Präsident Bernd Huber gestoßen. Nun hofft er, seine Idee womöglich noch durch die Hintertür verwirklichen zu können – und so München als wissenschaftliches Elitezentrum zu etablieren, mit dem in Deutschland allenfalls noch Berlin konkurrieren könnte.
Zu diesem Zweck soll laut Mittelstraß-Kommission neben der Campusbildung auch die Schaffung fächerübergreifender „schools of science“ und wissenschaftlicher „departments“ forciert werden, welche die aus Sicht der Experten zu eng gefassten Fakultäten ablösen sollen. Zudem sollen sämtliche Hochschulen „ihre Profile schärfen“ und Schwerpunkte setzen, um Fächerdoppelungen zu vermeiden.
Wie weit sich die Vorschläge von Mittelstraß & Co. am Ende durchsetzen können, ist einstweilen aber unklar. Sie passen nicht so recht zu den bisherigen Aussagen des bayerischen Wissenschaftsministers Thomas Goppel (CSU), der stets gegen die Förderung einzelner Elite-Unis gewettert hat. Schließlich stellt sich angesichts des rigiden Sparkurses von Ministerpräsident Edmund Stoiber die Frage, wer den teuren Umbau der bayerischen Hochschullandschaft und den Unterhalt von Hochschulen finanzieren soll, die am besten mit Harvard und Stanford konkurrieren sollen. Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser hat bereits bissig angemerkt: „Auch für die Hochschulen werde ich kein eigenes Geld drucken.“