Es lebe der goldene Handschlag

NRW ist nicht filzfreier geworden. Denn so lange kaum eine Verflechtung an die Öffentlichkeit gelangt, helfen auch neue Gesetze wenig

ANALYSE VONWERNER RÜGEMER

Manches hat die Regierungskoalition in den vergangenen Jahren unternommen, um dem NRW-Filz zu Leibe zu rücken. Doch handelt es sich bisher um Pflichtübungen ohne wirklichen Erfolg. Nach der von der Europäischen Union erzwungenen Entflechtung der Westdeutschen Landesbank wurden das Land NRW und die beiden Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe Eigentümer der neuen NRW.Bank. Zugleich wurden sie auch Eigentümer der neuen WestLB AG, während die beiden Sparkassen- und Giroverbände Rheinland und Westfalen bei der NRW.Bank ausschieden und nun Miteigentümer der WestLB AG sind. Einziges Resultat: Der Filz und die Zahl der neu geschaffenen Pöstchen für denselben Personenkreis hat sich verdoppelt.

Die Hoffnungen in das seit Ende 2001 geltende NRW-Informationsfreiheitsgesetz haben sich nicht erfüllt. „Kaum ein Bürger kennt das Gesetz“, stellt Peter von Blomberg, NRW-Regionalverantwortlicher von Transparency International (TI), fest. Das heißt: Kaum ein Bürger hat bisher mit Berufung auf das Gesetz Informationen bei den Behörden eingefordert. Dazu trägt auch bei, dass die Gebühren hoch und die Ausnahmen zahlreich sind: Bei Fragen der Sicherheit und vor allem bei Betriebsgeheimnissen ist die Freiheit der Information aufgehoben.

Ähnlich bescheiden droht der Erfolg des neuen Korruptionsbekämpfungs-Gesetzes auszufallen. Die Bürger wissen kaum davon. Die äußerst schleppende Aufarbeitung der landesweiten Müllkorruption ist kein gutes Vorzeichen: Außer in Köln wurde noch kein einziges Gerichtsverfahren durchgezogen. Im neuen Gesetz ist die „Herstellung von Transparenz“ großgeschrieben. Freilich stehen die Daten nur Behörden, nicht aber Bürgern offen. Für die Nebentätigkeiten von Ministern wurde die kleinste denkbare Regelung in das Gesetz aufgenommen: Mitglieder der Landesregierung sollen Beraterverträge lediglich dem Ministerpräsidenten anzeigen.

Gänzlich unbeachtet bei der Entfilzung blieben bisher die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE). Dieser traditionelle Filzmeister des Landes konnte in aller Stille seinen Einfluss in den Kommunen weiter ausdehnen. So kaufte sich die für Strom, Gas und Wasser zuständige Tochtergesellschaft RWE Energy in die Kölner Stadtwerke ein. Der bisher größte Coup gelang mit dem Kauf der Rheinischen Wasserwerke (RWW). Die Städte Mülheim, Bottrop und Oberhausen verkauften die RWW, um ihre Haushalte zu sanieren.

Freilich geriet der Preis zu niedrig, weil die Privatisierungsberaterin der federführenden Stadt Mülheim gleichzeitig Beraterin der RWE war. Als der Deal aufflog, musste der mit der Beraterin auch außerehelich verbundene Oberbürgermeister von Mülheim, Jens Baganz (CDU), zurücktreten. Aber die Privatisierungsbefürworter aus CDU, SPD, FDP und Grünen weigerten sich, den Kaufpreis neu zu verhandeln. Die von der oppositionellen Ratsfraktion Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) eingeschaltete Kommunalaufsicht blieb ebenso untätig wie die Staatsanwaltschaft.

Das Ergebnis: Die Städte sind immer noch überschuldet, die Preise für das Wasser sind kräftig angestiegen. Im Januar 2005 deckten die MBI auf, dass die neue Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) in den RWE- Aufsichtsrat berufen wurde und 99.000 Euro jährliche Tantiemen erhält.

Wie in Mülheim praktizieren die beiden großen Parteien vor allem bei Privatisierungen in der Regel eine große Koalition. Diese verteidigt den Filz mit den RWE selbst dann, wenn er erkennbar zu Lasten der Bürger geht. Auch von den Parteien im Landtag kein kritisches Wort zu hören. Der wesentliche Hoffnungsschimmer besteht im langsamen Anwachsen der kleinen Parteien: In Mülheim vervielfachten die MBI bei der letzten Kommunalwahl ihre Stimmen. Und mit „Wir aus Mülheim“ zog eine weitere kleine Fraktion ins Rathaus ein.