: Ignorierte Alarmglocken
BANKENAUFSICHT Die Aufsichtsbehörden und die Bundesregierung erfuhren nur dann von den Problemen bei der HRE, wenn die Bank sie selber meldete
BERLIN taz | Die Lehman Brothers sind schuld. Allein durch die Megapleite der US-Investment Bank im September 2008 sei die Hypo Real Estate (HRE) in den Abgrund gerissen worden – so die offizielle Haltung der Regierung und der Bankenaufseher von Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Der HRE-Untersuchungssausschuss hegt dagegen den Verdacht, dass schon lange vorher die Alarmglocken schrillten – und ignoriert wurden. Bafin und Bundesbank teilen sich die Aufsicht über die Banken, wie Überprüfung der Eigenmittel und der Risiken.
Bereits im Januar 2008 hatte die HRE gemeldet, dass sie wegen toxischer US-Hypothekenpapiere 390 Millionen Euro abschreiben müsse. Im Finanzministerium beurteilte man das als nicht existenzbedrohend. Immerhin ordnete die Bafin eine Prüfung diverser HRE-Töchter an, darunter der in Irland registrierten Depfa Bank plc. Dort stellten Prüfer der Bundesbank diverse „gewichtige“ Mängel etwa beim Risikomanagement und bei den Computersystemen fest. Folgen: keine. Das hochriskante Finanzierungsmodell der Depfa war nicht Gegenstand der Untersuchung, weil das in Irland die deutschen Aufseher nichts anzugehen hatte. Die existenzielle Krise bei der Depfa brach dann im Herbst 2008 aus.
Es sei bezeichnend, dass die laufende Aufsicht im Allgemeinen erst dann etwas von den Problemen mitbekommen habe, wenn die Bank sie selbst meldete, sagte ein in den Ausschuss involvierter Bundestagsmitarbeiter der taz: „Formal ist das zwar kein Fehler, aber man fragt sich doch, was solch eine Aufsicht wert ist.“ Formal korrekt sei auch die Regierung informiert worden, die die Berichte dann anscheinend einfach abgeheftet habe – so wie einen Brief an den damaligen Finanzstaatssekretär Thomas Mirow und dessen Abteilungsleiter Jörg Asmussen, in dem Bafin-Präsident Jochen Sanio schon im Januar 2008 vor weiteren Risiken bei der HRE in einer „möglicherweise erschreckenden Größenordnung“ warnte. Oder einen Zwischenbericht vom März, den Asmussen wegen eines Kurzurlaubs nicht mitbekam.
Gesetzesverstöße konnten die Oppositionsparteien im HRE-Ausschuss bislang nicht finden. „Aber es wird deutlich, dass das Aufsichtssystem so jedenfalls, wenn es gebraucht wird, nicht funktioniert“, so der Bundestagsmitarbeiter. NICOLA LIEBERT