: Rote Socken fegen Adler vom Eis
Zum ersten Mal gewinnen die Eisbären Berlin die Deutsche Eishockey-Meisterschaft und lassen damit die Enttäuschungen der Vorjahre vergessen – Finalgegner Mannheim spielt auch im letzten Finale zu undiszipliniert
BERLIN taz ■ „Wir roten Socken haben das Ding. Das ist einfach unglaublich!“ Hartmut Nickel, Co-Trainer der Berliner Eisbären, tollte mit der Meistertrophäe durch die bierüberflutete Kabine und konnte sein Glück kaum fassen.
Für diese Gefühlsausbrüche beim Ostberliner Club war Dienstagabend vor allem Erik Cole verantwortlich. Mit zwei Toren brachte er die Hausherren im Wellblechpalast gegen Adler Mannheim auf die Siegerstraße zum 4:1 (1:1, 1:0, 2:0)-Erfolg. Es war der dritte Erfolg der Ostberliner, die damit die Best-of-five-Serie des DEL-Finales im Rekordtempo für sich entschieden.
Wie schon in den beiden vorangegangenen Partien, die die Hauptstädter mit 5:3 und 4:0 gewonnen hatten, war die Strafzeit-Kollekte der Adler entscheidend. Insgesamt 50 Kühlboxminuten verbuchte das Team von Coach Stéphane Richer gegenüber zwölf Strafminuten der Eisbären. „Da sind 40 Spieler auf dem Eis, aber einer entscheidet die ganze Partie“, wetterte Mannheims Co-Trainer Mike Rosati gegen Referee Thomas Schurr. Der lag zwar mit einigen Entscheidungen falsch, doch foulten die Gäste oft zu deutlich. Franky Groleau beispielsweise legte in Minute 45 direkt vor dem Referee einen Berliner aufs Eis, EHC-Kapitän Steve Walker markierte prompt mit seinem 19. Play-off-Treffer die 3:1-Führung und damit die Vorentscheidung für die Eisbären.
Dabei hatten die Gäste gar nicht schlecht begonnen. Die Berliner waren überlegen, doch ihre beste Waffe, das Powerplay, blieb zunächst stumpf. Stattdessen nutzte Jochen Hecht das erste Adler-Überzahlspiel zur Führung (8.). Im Gegensatz zum zweiten Match, als sich die Kurpfälzer sowohl körperlich als auch geistig in miserabler Verfassung präsentiert hatten, wirkten sie frischer. Doch ausgerechnet in Überzahl mussten sie den Ausgleich durch Cole hinnehmen (18.). Das war fatal für die Adler, die schon im ersten Spiel eine 2:0-Führung aus der Hand gegeben hatten.
Nach Coles zweitem Tor, erzielt bei doppelter Überzahl (38.), blieb den Gästen nicht mehr viel, als auf einen „lucky shot“ zu hoffen, denn die Eisbären spielten zu abgeklärt, während den Adlern die Kräfte schwanden, hatten sie doch in Viertel- und Halbfinale jeweils ein Spiel mehr benötigt als der EHC. Denis Pedersons Treffer zum 4:1-Endstand, natürlich bei Überzahl, fegte die Mannheimer endgültig vom Eis (53.). Die abgeschossenen Adler verließen bei der Siegerehrung unter gellenden Pfiffen der 5.000 EHC-Fans vorzeitig die Spielfläche, was die Berliner Equipe aber nicht am ausgelassenen Feiern hinderte. NHL-Profi Cole wurde als wertvollster Akteur der Play-offs ausgezeichnet, bevor die Meisterschaftstrophäe unter dem Jubel der Fans im Wellblechpalast an das Team von Trainer Pierre Pagé überreicht wurde.
Im dritten Anlauf nach 1998 und 2004 gewannen die früheren Dynamos endlich den ersehnten Titel, und mehrere Faktoren sorgten dafür, dass der Favorit der letzten beiden Spielzeiten nicht erneut scheiterte. Zum einen waren die Berliner nach einer eher durchwachsenen Vorrunde nicht der große Titelkandidat, zum anderen hatten sie mit Cole und Verteidiger Shawn Heins Akteure geholt, die das körperbetonte Spiel bevorzugen und sich nicht in Schönspielerei verlustieren. Mannschaftliche Geschlossenheit, eine ausgeglichene Crew, Nervenstärke und schließlich ein Trainer, der nicht mehr der „cholerisch veranlagte Kanadier“ (Berliner Zeitung) war, sondern deutlich lockerer mit den Spielern umging, waren weitere Zutaten für den Meistermix. Mehr kann kommen, glaubt man Co-Trainer Nickel: „Ich bleibe noch fünf Jahre und hole den nächsten Titel“, strahlte der 60-Jährige, der schon 40 Jahre dem Club angehört. MARCUS VOGT