: Das Spardiktat
Wie geht es mit den beiden nordrhein-westfälischen Frauenfilmfestivals Femme totale und Feminale weiter?
Selbstbewusst können die Kuratorinnen des Dortmunder Filmfestivals Femme totale in die Verhandlungen über ihre Zukunft gehen. In der vergangenen Woche fand das älteste deutsche Festival, das sich ganz auf die Filmarbeit von Frauen konzentriert, zum zehnten Mal statt. Mit ca. 8.000 ZuschauerInnen und einem neuen Regiepreis befindet es sich auf Erfolgskurs.
Nichts lag näher, als den Themenschwerpunkt des Jubiläumsjahrgangs dem Thema Geld zu widmen. Denn über dem gelassenen Parcours von rund fünfzig Dokumentar-, Spielfilm- und Experimentalbeiträgen über Reichtum und Armut aus der Sicht von Frauen schwebten willkürliche Sparentscheidungen, die die nordrhein-westfälische Kultusverwaltung bereits Anfang des Jahres ausgesprochen hat.
Femme totale, 1985 in Dortmund gegründet, alterniert im Zweijahresrhythmus mit dem anderen deutschen Frauenfilmfestival, der Kölner Feminale. Für beide wurde zuletzt ein Landeszuschuss von 160.000 Euro gewährt, der nun im aktuellen Sparfieber um 60.000 Euro reduziert werden soll. Man will, erklärte die Landesregierung, die Festivals erhalten, jedoch Synergien nutzen. Wie das in die Praxis umgesetzt werden soll, wurde nicht zu Ende gedacht.
Beide Festivals folgen unterschiedlichen Konzepten und sind sich daher nie in die Quere gekommen. Die ältere Femme totale verstand sich von Beginn an als Plattform für alle Filmgattungen, Formate und Perspektiven, die das Filmschaffen von Frauen repräsentieren. Die Klammer eines Festivaljahrgangs ist jeweils der vom Team gewählte thematische Schwerpunkt. Darunter finden feministische Filme mit weniger expliziten zusammen, und das Programm spiegelt nicht nur die allerneuesten Produktionen wider. Zusätzlich gibt es filmhistorische Raritäten, begleitende Vorträge und Workshops mit Expertinnen, die Know-how vermitteln und Netzwerke gründen. Die Feminale arbeitet dagegen ohne Themenschwerpunkt, zeigt die aktuelle Produktion von Regisseurinnen, legt Wert auf umfangreiche Retros zu einzelnen Filmemacherinnen und widmet sich nicht zuletzt stärker den lesbischen Themen.
Für die leidige Spardiskussion ausschlaggebend ist jedoch, wie unterschiedlich die Festivals von ihren Städten gestützt werden. In 20 Jahren Arbeit fand die Dortmunder Festivalleiterin, Silke J. Räbiger, wachsenden Rückhalt in der Kulturverwaltung am Ort. Die von Arbeitslosigkeit und Strukturkrise gebeutelte Stadt setzt auf Kultur. Man stellt dem zwischen den Festivals auf zwei Personen schrumpfenden Team Büros, Ausstattung und Arbeitsetat zur Verfügung. Und man setzte den eigenen Anteil am Budget so hoch an, dass das Land nachziehen musste. Femme totale erhält mit rund 100.000 Euro den größeren Topf regionaler Förderung.
Die lokale Wertschätzung kann zwar nicht über die chronische Unterfinanzierung des Unternehmens hinwegtäuschen, hat aber im Lauf der Jahre weitere Kooperationen ermöglicht. So wird ein Preis für die beste Kamerafrau vergeben. Den neuen Regiepreis, dotiert mit 25.000 Euro, stiftete ein Energiekonzern, und das mit Zusagen für die Zukunft. Im Jubiläumsjahr 2005 kam auf diese Weise eine neue Sektion ins Programm, in der acht Regisseurinnen, darunter Shona Auerbach ( „Dear Frankie“), Rebecca Miller („The Ballad of Jack and Rose“), Jessica Hausner („Hotel“) und Cate Shortland („Somersault“) ihre Filme zeigten. Am Ende gewann die Israelin Keren Yedaya mit „Or“, einer düsteren Mutter-Tochter-Geschichte und Abrechnung mit dem Prostituiertenmilieu von Tel Aviv.
Die Stadt Köln könnte sicher kulturpolitisch mit einem größeren cinephilen Publikum argumentieren, hat sich bislang jedoch eher geizig gezeigt. Das Team der Feminale muss sich weitgehend auf ehrenamtliche Kräfte stützen, verfügt nicht über lokal finanzierte Bürokapazitäten, versucht mit einem städtischen Zuschuss von 10.000 Euro über die Runden zu kommen und kann kaum mit Sponsoren rechnen. So klingen die ersten Ideen unter dem Spardiktat absurd: Die Kölnerinnen sollen die Dortmunder Büros mit benutzen, also zwei Jahre lang hin- und herfahren, damit sie in Köln noch billiger und noch effektiver arbeiten.
Oder will sich das Land die Dortmunder Femme-totale-Unterstützung durch eine Zwangsvereinigung in Köln verscherzen? Dem mächtigen Chef der Filmstiftung, Michael Schmidt-Ospach, würde das gefallen, wie er kürzlich einem Branchendienst mitteilte. Aber keine Angst, sagen sich die Festivalteams: Vor der Regionalwahl Ende Mai macht sich im Düsseldorfer Landtag niemand einen Kopf, wie die eigenen Kurzschlüsse umzusetzen sind. Die Zeit arbeitet für die Frauen.
CLAUDIA LENSSEN