Unterschätztes Wirtschaftswunder

Unternehmer ausländischer Herkunft schaffen eine Million Jobs. Nur: Anerkennung finden sie dafür nicht. Im Gegenteil werden sie von Banken häufig vernachlässigt

BERLIN taz ■ Der Pizzabäcker heißt Toni, der Dönermann Achmed und Vasili, das ist der Ouzo-Restaurantbesitzer. Eines haben die drei gemeinsam: Sie bedienen ein Klischee. Migranten machen längst in anderen Branchen als nur der Gastronomie ihr Geld.

Das zeigt die Studie „Die Bedeutung der ethnischen Ökonomie in Deutschland“, die gestern Wirtschaftsstaatssekretär Rezzo Schlauch (Grüne) vorstellte. Es ist das erste Mal, dass die Bundesregierung untersuchen ließ, wie viele Jobs Unternehmer ausländischer Herkunft schaffen – und wie sie für mehr Wirtschaftswachstum sorgen.

Dafür befragte das Institut für Mittelstandsforschung in Mannheim gut 2.000 Unternehmensinhaber vor allem griechischer, italienischer und türkischer Herkunft. Demnach haben „Migranten heute in nahezu allen Branchen einen festen Platz“, sagte Schlauch. Dazu gehören Handel, Dienstleistungen oder Baugewerbe. Nur bei Italienern sei das weniger ausgewogen. 60 Prozent von ihnen seien noch immer im Gastgewerbe tätig.

Doch ob als Restaurantbesitzer, Obstverkäufer oder moderner Dienstleister – das ausländische Unternehmertum wächst. Die Gründer aus Italien, Griechenland oder der Türkei sichern hierzulande mittlerweile rund eine Million Arbeitsplätze. Und die Zahl der Selbstständigen unter ihnen ist seit 1990 um gut 60 Prozent auf fast 300.000 gestiegen. Nur zum Vergleich: Die Anzahl deutscher Selbstständiger ist im selben Zeitraum gerade mal um knapp 20 Prozent gestiegen.

Doch bleiben Probleme. Erstes Beispiel dafür ist die fehlende Anerkennung. Ausländer, so erklärte Schlauch, würden vielerorts immer noch als eine sozial schwierige Gruppe bewertet. „Ihre gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung wird unterschätzt oder gar nicht zur Kenntnis genommen.“

Zweites Beispiel: die Ausbildung. Denn deutsche Unternehmen bilden dreimal häufiger Nachwuchs aus als diejenigen mit Migrantenhintergrund. Dabei sind von der Ausbildungsplatznot die ausländischen Jugendlichen besonders stark betroffen.

Drittes und letztes Beispiel: die Schule. Laut der aktuellen Studie ist das Bildungsniveau von selbstständigen Griechen, Türken und Italienern „weit niedriger als das der Deutschen.“ So können zwischen 35 bis 40 Prozent keinen Berufsabschluss aufweisen.

Ihnen fehlt deshalb auch das kaufmännische Rüstzeug. Bei ihren deutschen Kollegen ist das häufig gar nicht anders, das Gründerdasein ist immer schwierig. Trotzdem scheitern diejenigen mit ausländischen Wurzeln noch viel öfter. So sind die Gewerbeschließungen bei Griechen und Italienern beispielsweise fast genauso häufig wie die Gewerbegründungen.

Das wissen auch die Banken. Sie machen es den Geschäftsleuten deshalb besonders schwer. So kritisierte Rezzo Schlauch, dass gründungswilligen Migranten von Banken oft zusätzliche Schwierigkeiten bei der Kreditaufnahme bereitet würden. Zudem würden die Banker Ausländer oftmals nicht im gleichen Maße über das bestehende Förderangebot informieren wie ihre deutschen Kunden. Ob der Staat etwas tun kann? Schlauch: „Hier hilft kein neues Gesetz, wohl aber eine stärkere Sensibilisierung für die Bedeutung der ethnischen Ökonomie.“

RENÉ STEENBOCK