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Archiv-Artikel

SOUNDTRACK

Viele sammeln sie heute in digitalisierter Form: Friends. Toll, dass man sie zum Beispiel in New York noch in echt findet. Diese Friends stecken, so viel ist mal klar, rein musikalisch betrachtet in der Frühphase der Digitalisierung. Disco ist noch kein Schimpfwort, sondern der Raum, aus dem man gerade rausgestolpert ist, Handclaps sind noch nicht einmal erfunden, dafür durchziehen prägnante funky Basslines die Songs, alles ist auch ein bisschen kinky und natürlich kennt man sich nicht nur untereinander, sondern gemeinsam auch das komplette Werk von ESG. Die Sache handelt mit anderen Worten von den 80ern – und dies in denkbar größter Aufdringlichkeit, also inklusive der passenden Kleidung. Friends kann man also wohl, immerhin haben wir 2012, getrost eine Post-Disco-Band nennen. Die Lieder sind tanzbar und sehr Percussion-orientiert, Sängerin Samantha Urbani erinnert ein wenig an eine laszivere Version von Clare Grogan (Altered Images) und die zuweilen bubblegumartige Süße kann sowenig wie die Style-Attacke über einen Umstand hinwegtäuschen: „Brooklyn’s hottest Band“ macht gut gestimmten und tanzbaren Indiepop. Sa, 4. 2., 20 Uhr, Molotow, Spielbudenplatz 5

Wenn man unter dem Genre „Chamberpop“ die Art von U-Musik versteht, die sich mit Hilfe von Opulenz und Länge der Stücke als E-Musik tarnt, dann sind The Miserable Rich in diesem Genre nicht gut aufgehoben. Es handelt sich zwar um ein Kammerquintett, instrumentiert mit Cello, Violine, Kontrabass, Akustikgitarre, Piano. Richtigerweise ist aber wohl von einer Pop-Band zu sprechen, von einer, die feingliedrige Stücke zwischen Folk und Indie mit eben anderen Mitteln macht: verträumt, aber nicht zu elegisch, auf introvertierte Weise freundlich, immer vorsichtig beschwingt. Und vor allem darauf abzielend, der federleichten Stimme von Sänger James de Malplaquet maximalen Platz einzuräumen. Auf ihrem dritten Album haben die Briten, als gelte es, dies mal klarzustellen, sogar dem Schlagzeug einen dauerhaften Platz zugewiesen. Mo, 6. 2., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66

Wer sagt: „Das kenn ich doch“, liegt richtig. Aus Bands wie Helium und Sleater-Kinney rekrutiert sich jedenfalls der Großteil des Personals von Wild Flag. Vor allem Letztere können wohl mit Recht als eine der zentralen und prägenden Bands des antirockistischen, feministischen Aufbruchs der 90er bezeichnet werden. Dies ist in Bezug auf die Attitüde und auch die Musik eine gute Referenz, überdehnt werden sollte die Analogiebildung allerdings nicht. Wild Flag knüpfen zwar unüberhörbar hier an, erweisen sich aber auf ihrer ersten Platte eher als ein überraschendes und eklektizistisches Mit- und Nebeneinander verschiedener wohlbekannter Genres. Bewusst nachlässig gespielter, dreckiger Garage-Rock geht über in orgelgestützten Indiepop mit Schmutzfaktor. Di, 7. 2., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66 NILS SCHUHMACHER