: Werbung mit doppeltem Abi
Sehr gute Oberstufen-Schüler wechseln in Düsseldorf noch das Gymnasium. Sie wollen gleichzeitig die Hochschulreife für Deutschland und Frankreich. Unter den Schulen wächst der Konkurrenzdruck
VON SVEN PRANGE
David Dreidoppel ist sich sicher: „Nach dem Abi studiere ich in Frankreich.“ Für den 17-Jährigen wird das kein Problem sein. Der Schüler wird zu den ersten in NRW gehören, die an einem „normalen“ Gymnasium für beide Länder eine Hochschulzulassung erwerben können. „Abibac“ heißt das neue Konstrukt. Das ist eine Mischung aus deutschem Abitur und französischem Baccelauréat. Das Luisen-Gymnasium in Düsseldorf ist die erste allgemeinbildende Schule, die in NRW derzeit den Einstieg anbietet, und das erst in der elften Jahrgangsstufe. In Bochum, Köln und Bonn gibt es bereits Gymnasien, die das Abibac ab der fünften Klassen ermöglichen.
Möglich wird das Abibac für Späteinsteiger in Düsseldorf durch einen Staatsvertrag, den Bundeskanzler Gerhard Schröder und Staatspräsident Jacques Chirac bei einem deutsch- französischen Gipfel Mitte 2003 unterschrieben haben. Dort wurde auch eine Zielgröße von 25 teilnehmenden Schulen pro Land festgeschrieben. In den betroffenen Bezirksregierungen und Schulen hat das rege Betriebsamkeit ausgelöst. Sie stehen vor einem Dilemma: Einerseits darf die doppelte Ausbildung wenig kosten, andererseits müssen die frankophilen Schüler sprachlich richtig fit gemacht werden. Denn ab der 11. Jahrgangsstufe bekommen sie ihren Geschichts- und Erdkundeunterricht nur noch auf französischer Sprache. Dazu funktioniert das Ganze nur mit einer französischen Pendant-Schule – für die Düsseldorfer ist das ein Lycée in Straßburg. Während der Schuljahre und der Abiprüfung müssen auch französische Lehrer beurteilen, ob die deutschen Pennäler neben ihrem deutschen auch den Abschluss des französischen Staates bekommen. Die 19 teilnehmenden Schüler in Düsseldorf hatten grade zum ersten Mal Besuch eines „Inspecteurs“.
„Das ist ein praktischer Schritt, europäische Bildungsabschlüsse zu vereinheitlichen“, sagt Henny Rönneper, der im Landesbildungsministerium für das Konstrukt verantwortlich ist. So sieht das auch Michael-Georg Müller. Der Pädagoge ist am Luisen-Gymnasium für die praktische Umsetzung des Abibac zuständig. „Die Schüler bekommen eine einmalige Chance, eine Fremdsprache richtig zu lernen“, sagt er. Die Schüler sollten zusätzlich auch an Kultur und Gesellschaft des Partnerlandes herangeführt werden und das in elf oder zwölf Unterrichtsstunden auf französischer Sprache pro Woche. „Man bekommt da eine ganz andere, neue Perspektive“, sagt Müller mit Blick auf den Geschichtsunterricht. Schließlich unterschieden sich deutsche und französische Geschichtsbilder enorm, wie auch die Art der Unterrichtsführung. Das haben die Düsseldorfer bei ihrem ersten Aufenthalt in Straßburg erfahren. „In Frankreich redet der Lehrer 99 Prozent der Unterrichtszeit“, schildern die Schüler ihre Eindrücke.
Das Luisengymnasium will durch das Doppel-Abi auch sein Profil schärfen und attraktiver für Schulwechsler in der Oberstufe werden. Im aktuellen Jahrgang sind bereits viele Schüler wegen des Angebotes von anderen Schulen hinzugekommen. „Da entsteht natürlich eine Konkurrenzsituation um die besten Schüler“, räumt Projektleiter Müller ein. Allerdings eigneten sich nur die „wirklich sehr guten Schüler“ für die Teilnahme. Und das könne in den Kollegien der teilnehmenden Schulen auch zu Spannungen führen, denn so mancher Pädagoge schiele misstrauisch auf das Engagement der Abibac-Pauker. „Denn die Umsetzung hängt maßgeblich vom Engagement dieser Lehrer ab“, sagt Michael-Georg Müller nach einem Jahr Abibac. Mit Dienst nach Vorschrift werde das nichts.
Schuld ist das zur Verfügung gestellte Budget. Nur 0,75 Lehrerstellen verteilt auf drei Jahre bekommen teilnehmende Gymnasien zusätzlich. „Wir haben das Glück, das uns die Stadt noch unterstützt“, sagt man am Luisengymnasium. Dort kommt man klar, das NRW- Schulministerium sieht die Düsseldorfer eher als Pilotprojekt: „Alle Schulen können freiwillig entscheiden, ob sie mitmachen.“