Attac feiert Geburtstag …

… und wächst seit der Gründung rasant. Die Organisation entwickelt sich dabei eher zum Gemischtwarenladen als zum hierarchischen Protestkonzern à la Greenpeace

BERLIN TAZ ■ An diesem Wochenende wird Attac fünf Jahre alt. Die Globalisierungskritiker feiern auf einem großen „Ratschlag“ in Mannheim. Dabei wird auch Bilanz gezogen: Mit hehren Zielen ist Attac im Jahr 2000 angetreten. Als „aktionsorientierte Bewegung“ über die Globalisierung aufklären, mit Aktionen die Öffentlichkeit erreichen und Gegenkonzepte zur neoliberalen Politik entwickeln, so lautete damals der Plan.

Viele Gründungsmitglieder waren Abgesandte anderer NGOs. Aber sie wussten um die Gefahr einer zu starren Struktur, die spontane Aktionen verhindern. Gleichzeitig wollten sie bei der Organisationsform neue Wege beschreiten: Fehlende Hierarchien sollten eine intensive Basisbeteiligung zulassen. Das Konsensprinzip bei Entscheidungen sollte ein breites Bündnis ohne die üblichen ideologischen Grabenkämpfe und Kampfabstimmungen ermöglichen.

Durchwachsene Bilanz

Eine selbstkritische Bilanz würde wohl durchwachsen ausfallen. Den selbst auferlegten Bildungsanspruch erfüllt Attac: Regionalgruppen in über 200 Orten in Deutschland sorgen dafür, dass es kaum noch eine Gegend gibt, in der die freiwillige Feuerwehr und die Dorfkirche die einzigen Möglichkeiten sind, sich fürs Wohl der Menschheit einzusetzen. Ein Austausch über die negativen Auswirkungen der Globalisierung ist im pfälzischen Landau ebenso möglich wie im brandenburgischen Zossen.

Angezogen wurden Alte und Junge. Zentral aber blieb ein harter Kern, der sich um Integration bemühte. Denn die Bewegungsmanager der ersten Stunde wussten: Erst dieses bunte Sammelsurium aus unterschiedlichen AktivistInnen sämtlicher sozialer Bewegungen der letzten Jahrzehnte hat Attac den enormen Zulauf von heute insgesamt 16.000 zahlenden Mitgliedern beschert. Und trotzdem verging zeitweise kaum eine Veranstaltung, an der nicht irgendwelche Kader von Linksruck oder der Sozialistischen Alternative (SAV) oft aus mehreren Ecken gleichzeitig agitierten. Die Lage entspannte sich erst, als vor einem Jahr ein Großteil von ihnen in der neu gegründeten Wahlalternative ein neues Betätigungsfeld fand.

Auch der Grundsatz, dass bei Attac die Politik grundsätzlich von Ehrenamtlichen gemacht wird, während die Angestellten im Frankfurter Bundesbüro nur organisatorische und unterstützende Aufgaben wahrnehmen, stößt zunehmend an seine Grenzen. Denn längst hat Attac bei Öffentlichkeit und Medien Erwartungen geweckt, die von den FreizeitaktivistInnen nicht mehr ohne weiteres erfüllt werden können. Attac engagierte sich gegen den Krieg im Irak, gegen Hartz IV, ruft regelmäßig zum Weltfrauentag auf, mischte mit bei der Diskussion um die Gesundheitsreform und organisierte eine Protestaktion gegen den Sparkassenverkauf in Stralsund.

Ein Gemischtwarenladen

Nicht dass diese Themen argumentativ nicht mit Globalisierungskritik unter einen Hut zu kriegen sind. Sie werden nicht ausreichend gebündelt. Der offene Charakter ist der Preis dafür, dass innerhalb von Attac niemand den anderen vorschreiben kann, zu welchen Themen gearbeitet wird. Gibt es Interesse an Softwarepatenten und geistigen Eigentumsrechten, wird sogleich eine entsprechende AG gegründet. Bewegungsforscher Dieter Rucht sieht Attac zu Recht auf dem Weg zum „Gemischtwarenladen“ und befürchtet, dass die Globalisierungskritiker immer mehr an Kontur verlieren.

Trotz aller Probleme hat es Attac innerhalb von fünf Jahren geschafft, eine einmalige Struktur zu schaffen, die durchaus imstande ist, bewegungsschwierige Zeiten zu überstehen. Zugleich ist Attac Meilensteine entfernt von hierarchischen Führungskadern à la Greenpeace, die ihre Organisation zwar straff und effektiv wie ein Großunternehmen führen, dies jedoch zum Preis der mangelnden Anbindung an die Bewegung. FELIX LEE