rüttgers
: Der Papst an Rhein und Ruhr

Jürgen Rüttgers hatte die Falle noch bemerkt, die TV-Moderator Michel Friedman für ihn aufgestellt hielt. Doch er ist hineingetreten, und nun hält sie ihn gefangen. Der CDU-Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen hält die katholische Kirche im Vergleich mit anderen Religionen für überlegen. Eine solche Äußerung in einem konfessionell stark gemischten Bundesland und wenige Wochen vor einer Landtagswahl – das ist schon ein kapitaler Fehler.

KOMMENTAR VON DIETMAR BARTZ

Damit brüskiert Rüttgers nicht nur die evangelischen Wähler. Er stößt auch die Katholiken vor den Kopf, die sich um eine kirchliche Ökumene auf der Basis der Gleichberechtigung der beiden christlichen Religionen bemühen. Erst recht dürfen sich Juden und Muslime abgefertigt fühlen.

Um die Schadensliste zu vervollständigen: Rüttgers missachtet auch die historische Leistung der CDU, die seit fast 60 Jahren Katholiken und Protestanten in einer gemeinsamen christlichen Partei vereint. Dies passiert Rüttgers ausgerechnet in demjenigen Bundesland, in dem die CDU ihr interkonfessionelles Konzept besonders erfolgreich durchsetzte. Hier saugte sie die starke katholische Zentrumspartei auf und bot sich zugleich den evangelischen Ostvertriebenen und nationalkonservativen Protestanten als politische Heimat an.

Offensichtlich ist Rüttgers von seiner Begeisterung über den neuen deutschen Papst getragen worden, als er sich zur Suprematie seiner Glaubensrichtung bekannte. Er ist ein schneller Jünger Benedikts, der in seiner Auftaktpredigt das Ende der Relativierung und die Überlegenheit der katholischen Kirche verkündet hat. Rüttgers konnte Friedman nicht entkommen, weil er den Widerspruch tatsächlich unauflöslich findet, von der eigenen Kirche überzeugt zu sein und anderen dennoch ihren Glauben als gleichwertig zu lassen. Damit ist er vordemokratisch und intolerant.

In den letzten Wochen haben sich in Deutschland auch Nichtkatholiken von den spirituellen Wellen aus Rom beeindruckt gezeigt. Ihr Wohlwollen – und dasjenige aller anderen „Postsäkularen“ – hat sich Rüttgers wohl verscherzt. Kann so einer der Ministerpräsident auch von Nichtkatholiken sein? Rüttgers hatte im nordrhein-westfälischen Wahlkampf bislang keinen nennenswerten Fehler gemacht. Wenn er die Wahl knapp verliert, könnte seine Ansicht der Auslöser gewesen sein. Dann hätte der Papst NRW rot-grün gehalten. Eine wundersame Entwicklung.

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