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Archiv-Artikel

Saisonende fürs Alpenglück

Wie sieht es da aus, wo Filme gut enden? Spurensuche am Tegernsee

Auf den cremeweißen Prospektseiten des Hotels Bachmair am See steht: „Hier werden Träume wahr.“ Tatsächlich dürfte das Haus am Tegernsee schon vielen Stadtneurotikern den Traum von der perfekten Idylle in bayrischer Abgeschiedenheit erfüllt haben. Zumindest im Fernsehen. Bereits Lissy und Max aus „Gruß und Kuss vom Tegernsee“ tanzten sich im Keller eines Hauses am Tegernsee ins Glück, während sich ein paar Jahrzehnte später Julia aus „Zwei Münchner in Hamburg“ in der Lobby entspannte. Damals erblühte Hauptdarstellerin Uschi Glas in ihren Vierzigern und Rottach-Egern genoß den Glamour der Achtziger Jahre mit der Aussicht auf ein durch und durch gemütliches Happy End.

Gut 20 Jahre Fernsehgeschichte später empfängt das Hotel den Besucher mit wenig jungem Publikum, in der Eingangshalle schlappt einsam ein älterer Herr im Bademantel vorbei, schwere Perserteppiche und dunkles Holz verströmen Kurortluft von über 100 Jahren. Hüttenromantik trifft auf cremeweißen Schick, die Prospektseiten versprechen Ton-in-Ton Interieur mit Plastikblumen und neobarocker Wohnlandschaft, in der sich auch Siegfried und Roy zu Hause fühlen könnten. Sie waren noch nicht hier im Hotel, auch wenn es seinem Stil offenbar seit ihren besten Tagen treu geblieben ist. Dafür wird auf den Seiten mit der Überschrift „30 Jahre Bachmairs Nightclub“, dem „Mekka für junges und junggebliebenes Publikum“, mit dem verstorbenen Rudi Carell, Tina Turner und Roberto Blanco geworben.

Auf der Hauptstraße im Ortskern von Rottach-Egern trifft zünftiger Schick auf Textildiscounter: Von der hochpreisigen „Trachtenalm“, in der sich eine beleibte Dame im Schulterpolsterkostüm langweilt, sind es nur wenige Schritte zur gut gefüllten KIK-Filliale. Noch vor ein paar Jahren hätte man hier ständig auf das internationale „Jetset“ treffen können, erklärt Frau Weber aus dem gleichnamigen Juwelier-Geschäft, ohne ein persönliches Erlebnis mit Conny Froebes, Thomas Gottschalk und Harald Juhnke auszusparen. Mittlerweile wollten die jungen Leute nur noch „Action“, der Spaziergang am See könne außer ihr selbst und ihrem Mann keinen mehr beglücken und viel mehr sei hier einfach nicht geboten.

„Das größte Problem des Tegernsees ist der Tegernsee selbst“, titelt der meistgelesene Artikel 2011 im Blog „Tegernseer Stimme“. Der Wintertourismus sei nicht existent, die Gemeinden verließen sich ausschließlich auf die natürlichen Gegebenheiten der Umgebung, statt in innovative Projekte zu investieren. Eines davon könnte der 2008 errichtete Ableger der nordfriesischen Protz-Marke „Sansibar Sylt“ sein. Ob ausgerechnet maritime Dekadenz mit Promifaktor Rottach-Egern hilft, seine Identität außerhalb von Filmkulisse und Wintersport-Schickeria wiederzufinden, ist fraglich. Das schafft eben doch nur der Tegernsee selbst. Mit oder ohne Uschi Glas. LEA DLUGOSCH