: Stimmann siegt über Scharoun
Gastronomie und Galerien sollen am Kulturforum die Baulücke zwischen Staatsbibliothek und Gemäldegalerie schließen. Damit wäre der einstige Entwurf von Hans Scharoun für das Gelände vom Tisch. SPD-Fraktionschef kündigt Protest an
VON UWE RADA
Ein Jahr bevor er in Ruhestand geht, kann Hans Stimmann (SPD) die Sektflaschen kalt stellen. Ein vom Senatsbaudirektor überarbeiteter Entwurf zum Kulturforum wird am Dienstag im Senat eingebracht – und wohl auch beschlossen werden. Das zumindest signalisierte Kultursenator Thomas Flierl (PDS) im Gespräch mit der taz. Nachdem er signifikante Änderungen gegenüber dem Ursprungsentwurf von Stimmann eingebracht habe, so Flierl, „trage ich den Kompromiss und ertrage ich die politische Debatte“.
Dieser Kompromiss betrifft vor allem die fehlende Mitte des Kulturforums zwischen Staatsbibliothek und Gemäldegalerie. Die Planungen des 1972 verstorbenen Architekten Hans Scharoun, die von seinem Partner Edgar Wisniewski weiterverfolgt wurden, sahen ein Künstlergästehaus als „Haus der Mitte“ vor. Stimmann dagegen wollte, was er immer viel: Wohnungen und Büros in einem langen Gebäuderiegel quer zur Potsdamer Straße. „Diese Idiotie ist nun beerdigt“, freute sich Flierl. Statt dessen seien zwei Gebäudeteile vorgesehen, die den Blick auf die Neue Nationalgalerie und die Mätthaikirche offen lassen. Das ganze heißt nun „Galeria Cassirer“ und beherbergt laut Flierl Galerien und Gastronomie.
Ansonsten aber konnte sich Flierl nur wenig durchsetzen. Die Piazetta genannte Schräge vor dem Eingang zur Gemäldegalerie soll verschwinden und einem Museumsplatz weichen. Ob der nun von einer Säulenkolonnade, wie es Stimmann will, oder einem „transparenten Dach als Umgang“ gesäumt wird, wie es Flierl formuliert, wird ein architektonischer Wettbewerb zeigen. Weitere Bausteine des Stimmann-Plans sind ein Hochhaus vor dem Kunstgewerbemuseum sowie ein Torhaus am südlichen Eingang zum Potsdamer Platz.
Edgar Wisniewski, seit 40 Jahren Mitstreiter für die Scharoun-Pläne, wollte den überarbeiteten Stimmann-Entwurf erst kommentieren, wenn er ihn selbst zu Gesicht bekommen habe. Für ihn ist aber das Motiv, das Senatsbaudirektor Stimmann treibt, „die kategorische Ablehnung der Stadtlandschaft, in der jedes Gebäude durch umgebende Freiräume quasi als Individuum wirkt“. Ans Aufgeben denkt Wisniewski deshalb noch lange nicht, sagte er der taz im Montagsinterview: „Ich habe den jahrelangen Kampf um die Philharmonie erlebt und noch gut die Rufe im Gedächtnis: Philharmonie? Nie! Ich habe die Verzögerungen bei der Staatsbibliothek erlebt. Ich habe 20 Jahre um den Bau des Kammermusiksaals gekämpft. Aus dieser Erfahrung heraus bin ich optimistisch.“
Unterstützung bekommt Wisniewski dabei von der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Der baupolitische Experte der Fraktion, Michael Arndt, forderte den Senat auf, „den so genannten Masterplan zum Kulturforum abzulehnen“. Zur Begründung sagte er: „Der immer noch zeitgemäße Entwurf von Scharoun bleibt das Gebot der Stunde.“
Ähnlich sieht das auch SPD-Fraktions- und Landeschef Michael Müller. Über seinen Sprecher Peter Stadtmüller ließ er mitteilen: „Was jetzt vorliegt, ist mit dem Abgeordnetenhausbeschluss kaum oder nur wenig vereinbar.“ Zuletzt hatte das Berliner Parlament auf Antrag der SPD-Fraktion 1999 mit Stimmen aller Fraktionen für die Vollendung des Kulturforums im Sinne Scharouns gestimmt.
SPD-Fraktionssprecher Stadtmüller ließ keinen Zweifel daran, dass dieser Beschluss noch immer gelte, und drohte indirekt sogar damit, dem Senatsbeschluss im Abgeordnetenhaus die Zustimmung zu versagen. „Ein Parlament“, sagt er, „hat auch eine gewisse Selbstachtung.“
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