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Archiv-Artikel

Moussaoui bekennt sich erneut schuldig

Dem im August 2001 festgenommenen Franzosen marokkanischer Abstammung droht vor einem Zivilgericht in den USA die Todesstrafe. Wegen seines bizarren Verhaltens ist seine Zurechnungsfähigkeit unklar. Viele Aspekte des Falles sind ungeklärt

AUS WASHINGTONMICHAEL STRECK

Der einzige in den USA für die Anschläge vom 11. September bislang angeklagte mutmaßliche Terrorist Zacarias Moussaoui hat sich am Freitagabend vor einem Zivilgericht in Virginia schuldig bekannt, aber eine direkte Beteiligung an den Attentaten bestritten. Damit kann ein bizarrer Terrorprozess nach dreijähriger Verzögerung wieder aufgenommen werden. Bereits 2002 wollte Moussaoui auf schuldig plädieren, revidierte jedoch wenig später seine Meinung.

Der gebürtige Marokkaner mit französischem Pass wurde im August 2001 verhaftet, einen Monat vor den Attentaten auf New York und Washington, nachdem er in einer Pilotenschule im Bundesstaat Minnesota Flugunterricht für eine Boeing 747 nehmen wollte. Das US-Justizministerium wirft ihm vor, an den Vorbereitungen für die Anschläge beteiligt gewesen zu sein. Manche Ermittler glauben, er hätte der 20. Flugzeugentführer sein sollen. Die Anklage lautet unter anderem auf Verschwörung zu Terrorakten, zur Luftpiraterie und zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen.

Während des kurzen Prozessauftakts Anfang 2002 zeigte sich Moussaoui unberechenbar, verwirrt und aggressiv. Er beschimpfte die zuständigen Gerichte, wollte sich selbst verteidigen, um dann nur noch zu schweigen. Er gab zu, Mitglied von al-Qaida und in die Pläne zum „9/11“ eingeweiht zu sein, um dann alles zu widerrufen. Fachleute fragen sich, ob sein Verhalten darauf abzielt, seine Zurechnungsfähigkeit anzuzweifeln oder ob er durch die Monate in Isolationshaft mittlerweile gestört ist. Die zuständige Richterin Leonie Brinkema entschied nun, dass er zurechnungsfähig und sein Schuldbekenntnis somit rechtsgültig ist.

Sollte er bei seinem Geständnis bleiben – niemand hält eine erneute Kehrwende für ausgeschlossen –, droht ihm die Todesstrafe, obwohl viele Aspekte seines Falles ungeklärt und die Beweise, dass er tatsächlich zu den Entführern gehören sollte, zu dünn sind. Auch wenn wenige Experten meinen, dass Moussaoui gänzlich unschuldig ist, glaubt Juliette Kayyem von der Harvard University, dass „seine tatsächliche Verwicklung möglicherweise nie völlig gelöst werden wird“.

Ein wesentlicher Grund für diese aus der Sicht von Rechtsexperten äußerst unbefriedigende Situation ist der Streit darüber, inwieweit die Aussagen anderer in Haft befindlicher Terrorverdächtiger im Prozess benutzt werden dürfen. Nach Angaben der „9/11“-Untersuchungskommission des US-Kongresses bestreitet der vermutete Drahtzieher der Attentate, Khalid Sheikh Mohammend, dass Moussaoui ein Teil des Entführerteams gewesen war. Stattdessen sei er für einen späteren Anschlag vorgesehen gewesen. Ein anderer Al-Qaida-Kopf, Ramsi Binalshibh, hat hingegen bei CIA-Verhören zu Protokoll gegeben, Moussaoui sollte am 11. September ein Flugzeug steuern.

Die Verteidiger von Moussaoui beantragten daher, die beiden an unbekannten Orten inhaftierten mutmaßlichen Terroristen als Zeugen zu vernehmen. Der Oberste Gerichtshof lehnte dieses Begehren jedoch ab. Er erlaubte lediglich, dass in Verhören gemachte Aussagen, die nicht der Geheimhaltung unterliegen, benutzt werden dürfen.

Das Argument der Nationalen Sicherheit wiegt somit schwerer als die sonst garantierten Rechte des Angeklagten auf eine ordentliche Verteidigung. „Wenn sich die Regierung wie in diesem Fall entscheidet, mutmaßliche Terroristen in einem Zivilverfahren anzuklagen, müssen die Gerichte sie auch wie normale Kriminelle behandeln“, sagt Kayyem.

Die Probleme mit Moussaoui dürften die Regierung überzeugt haben, dass dieser Fall eine Ausnahme bleibt. Bislang gibt es keine Anzeichen, andere mutmaßliche Terroristen vor einem Zivilgericht anzuklagen. Entweder werden sie an geheimen Orten für festgehalten oder Präsident Bush deklariert sie als „feindliche Kämpfer“, um sie, wenn überhaupt, vor militärische Sondergerichten zu stellen.

So bleibt es eine Ironie, dass Länder wie Deutschland und Spanien weit mehr verdächtigen Terroristen im Zusammenhang mit dem 11. September den Prozess machen, während das betroffene Amerika, trotz aufwändigster Untersuchungen nur Moussaoui vorweisen können.