Super sozial und total gut aussehend
OBDACHLOSENZEITUNG Die „Zeitschrift der Straße“ aus Bremen wird ein Jahr alt – und bekommt zum Geburtstag höchste Designer-Weihen vom New York Type Directors-Club
Sven Lamprecht steht am Ausgang des Bremer Hauptbahnhofs, dort wo die Menschen mit Blick zu Boden vorüber eilen. Ein bis zwei Schritte geht er ihnen entgegen, hält ihnen eine Zeitung ins Sichtfeld und wirbt um Interesse. Er verkauft die „Zeitschrift der Straße“ (ZdS), eine Obdachlosenzeitung in Bremen und Bremerhaven, die in diesem Februar ein Jahr alt wird.
Unter den rund 40 Straßenmagazinen in Deutschland ist die in Bremen entstehende ZdS eine der jüngsten. Und mit Abstand die bestdesignte: Angestoßen und konzipiert von Dozenten und Studierenden der Bremerhavener Hochschule geben ihr Studierende der Hochschule für Künste ein unverwechselbares Gesicht. Gerade erst hat der „New Yorker Type Directors Club“ ihre im vergangenen Jahr erschienene Tenever-Nummer mit dem „Certificate of Typographic Excellence“ ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung der Schrift-Designerbranche. Auch hat er sie als eine der drei besten studentischen Arbeiten weltweit für den „Student Best of Show award“ ausgewählt. Schließlich bekam sie noch die Judge’s Choice-Auszeichnung, das heißt: Das soziale Projekt gefiel einem der Fachleute so gut, dass er sie unbedingt im New Yorker Jahrbuch „Typography 33“ vorgestellt wissen will, das weltweit die Standards exzellenten Schriftdesigns setzt. Während Designstudenten sich um die Gestaltung , freie Autoren um die Texte und die Gründer um Anzeigen und Marketing kümmern, bleibt der Verkauf der Straßenzeitung Obdachlosen vorbehalten. Sie erscheint alle zwei Monate. Thema ist stets ein Quartier in Bremen oder Bremerhaven. Verkäufer wie Sven Lamprecht versuchen, sie den vorbeieilenden Passanten schmackhaft zu machen.
„Von zehn Leuten reagieren sechs gar nicht“, sagt er. „Das trifft mich am meisten.“ Trotzdem verkauft der ehemalige Soldat vergleichsweise gut: 40 Stück waren es an den ersten beiden Februartagen. Er kauft die Zeitschrift für 50 Cent oder einen Euro, je nach Ausgabe, und verkauft sie für zwei. „Aber da bleibt nicht viel von übrig.“ Denn Lamprecht ist drogenabhängig. Reinhard Spöring vom kirchlichen Verein Innere Mission betreut die ZdS-Verkäufer ehrenamtlich. Er weiß, dass einige den Gewinn in Drogen investieren. „Viele sind froh, dass sie zumindest von der Beschaffungskriminalität wegkommen“, sagt er. Auch Lamprecht hat nach eigenen Angaben früher geklaut. Seit er die ZdS verkauft, sei das jedoch vorbei. (dpa/ taz)