: Mut zur Farbe
POSITIONEN Unter den etablierten Autorenfotografen war Farbfotografie lange Zeit verpönt, galt als amateurhaft. Das Braunschweiger Museum für Photographie zeigt mit Fred Herzog und Bruce Wrighton zwei Fotografen, die sich Farbe trauten
In seiner aktuellen Ausstellung zeigt das Braunschweiger Museum für Photographie zwei Dokumentarfotografen, die sich gegen den damaligen Trend des Farbfilms bedienten. Unter Autorenfotografen galt Farbe als amateurhaft, weil zu nah an der Werbefotografie. Altmeister Walker Evans verurteilte sie sogar als „vulgär“. Dagegegen formierten sich selbstbewusst Positionen, die mit dem künstlerisch stigmatisierten „Snapshot-Schick“ lapidare Bildvorlieben pointierten.
Von 1953 an durchstreifte der damals 23-jährige Deutsche Fred Herzog die Straßen seiner neuen Heimatstadt Vancouver, die handliche Leica mit Kodachrome-Diafilm bestückt. Herzog war sich bewusst, dass dieses Filmmaterial ein ganz eigenes Kolorit besitzt, Farben also nicht „natürlich“ wiedergibt. Aber eben diesen „Kodachrome-Look“ mit seiner leuchtenden Farbigkeit, einem satten Rotanteil und der feinkörnigen Auflösung setzte er als Bestandteil seiner Straßenfotografie ein.
Das dokumentarische Interesse Fred Herzogs entspringt einer europäischen Tradition, Herzog bezeichnet Eugène Atget als einen seiner Helden, dessen Einfachheit in der Fotografie er schätzt. Passanten im Alltag, Geschäftslokale, die vielfältige Migrantenszene wurden Herzogs Themen, die er fein beobachtend, jedoch betont sachlich einfing. „Einer muss das hier machen“, so Herzog in einem Interview – damit die Menschen später einmal wissen, wie früher alles ausgesehen hat.
Die Braunschweiger Ausstellung, eine Übernahme von c/o Berlin, zeigt einen Querschnitt der Diaserien, die zwischen 1957 und 1978 entstanden. Diese wurden aktuell digitalisiert und mittels Tintenstrahldruck großformatig reproduziert. Durch diese technische Umwandlung erhalten Fred Herzogs Dias, ehemals im kleinen Kreis vorgeführt, eine neue, öffentliche Präsenz.
In der Vergrößerung werden Details und unterschwellige Stimmungen offensichtlich. Die angetroffenen Situationen scheinen die viel späteren psychodramatischen Inszenierungen eines Gregory Crewdson zu antizipieren – wodurch Fred Herzog auch in einer sehr amerikanischen Linie stünde.
Zutiefst US-amerikanischen Methoden folgte Bruce Wrighton. Die Fotos des studierten Historikers entstanden in den 80er Jahren im ganz engen Radius der Kleinstadt Binghamton, New York. In die Tradition einer sozialkritischen Dokumentarfotografie verfasste Wrighton Porträtserien gesellschaftlich Unterprivilegierter. Der melancholische Blick in bescheidene Kneipen oder menschenleere Straße erinnert an William Eggleston. Und sicherlich stand Richard Avedon Pate, der ab 1980 im amerikanischen Westen sozial Abgehängte als Kehrseite des amerikanischen Wohlstands inventarisierte.
Aber Avedon folgte eben noch den Gesetzen eines Walker Evans, die jener mit seinen legendären Fotos amerikanischer Landarbeiter während der Weltwirtschaftskrise festschrieb. Der 1988 gestorbene Bruce Wrighton hat in den wenigen Jahren seines Schaffens etwas Neues gewagt – und wäre somit einem Walker Evans vielleicht doch nicht so unähnlich. BETTINA MARIA BROSOWSKY
bis 18. März, Braunschweig, Museum für Photographie