: Die Sahnetörtchen des Festivals
JAPAN Berühmt für Tragikomödien und Satiren: Im Forum kann man dieses Jahr den Regisseur Kawashima Yuzo kennenlernen
VON DETLEF KUHLBRODT
Fast jedes Jahr präsentiert das Internationale Forum des jungen Films einen im Westen meist bis dahin unbekannten Altmeister des japanischen Kinos in kleineren oder größeren Retrospektiven: 2006 Nakagawa Nobuo, 2007 Okamoto Kihachi, 2008 Wakamatsu Koji, dessen verstörender „Caterpillar“ im damaligen Wettbewerb ausgezeichnet wurde, 2010 Shimazu Yasujiro und in diesem Jahr den vor allem für seine Tragikomödien und Satiren berühmten Kawashima Yuzo (1918–1963). Wie so viele Regisseure seiner Zeit war er äußerst produktiv und realisierte in 19 Jahren 51 Filme.
Shohei Imamura, einer der Mitbegründer der japanischen Nouvelle Vague, der ihm in einigen seiner Filme assistierte, nannte ihn seinen Lehrer. Kawashimas wunderbare burleske Komödie „Sun in the last days of the Shogunate“ (1957) wurde 1999 bei einer Abstimmung von 140 japanischen Filmkritikern und Regisseuren zum fünftbesten japanischen Film aller Zeiten gewählt.
Der Film spielt 1862 in einem Bordell im Vergnügungsviertel Shinagawa. Takasugi Shinasuku, ein junger Samurai, will mit Anschlägen die Ausländer aus der Gegend vertreiben. Zwei junge Geishas kämpfen darum, die Nummer 1 zu sein. Eine der beiden ist verschuldet und versucht sich durch eine unglaublich komische Liebesselbstmordinszenierung mit einem tumben Kunden zu retten. Der gewitzte Nichtsnutz Saheiji, eine Figur zwischen Hipster, Trickster und Kasper, muss seine Bordellschulden abarbeiten und macht sich unentbehrlich. Die klaren Typisierungen engen die Schauspieler nicht ein, sondern verlebendigen ihre Darstellung. Das kleine Filmformat ist wunderschön.
„Suzaki Paradise: Red Light“ spielt in den Grenzbereichen, die das Rotlichtviertel Suzaki von den ehrbaren Bezirken trennen. Eine Brücke, die das mittellose junge Pärchen Yoshigi und Tsutue in der Anfangsszene überschreitet, und kleine Bars, die das Viertel umsäumen, bilden die Grenze.
Tsutue findet Arbeit in einer dieser Bars, deren Betreiberin ihre beiden Kinder allein durchbringen muss, seitdem ihr Mann sie verlassen hat. Yoshigi verdingt sich als Lieferant in einem Nudelrestaurant. Ein reicher Mann verliebt sich in Tsutue. Ihr eifersüchtiger Mann wird von einer Angestellten des Nudelrestaurants umschwärmt. Die Männer in diesem schönen Soziodram sind schwach und selbstmitleidig; die superschönen Frauen eher stark. Am Ende stehen alle wieder am Anfang.
„Between yesterday and tomorrow“ (1954) ist die äußerst rasante Verfilmung eines Romans von Inoue Yasushi, der den Aufbruch beschwört. Die ersten Szenen spielen auf einem Schiff. Die junge, unglückliche Frau eines reichen Mannes will sich das Leben nehmen. Ein entschlossener junger Mann rettet sie.
Unterschiedliche Lebenskonzepte prallen aufeinander. Da ist der Unternehmer, ein älterer Patriarch, der seine junge Frau vernachlässigt und irgendwann erklärt, er hätte noch nie geliebt, andernfalls hätte er sein Unternehmen nie aufbauen können; da ist seine junge Frau, die vergeblich versucht, dem häuslichen Unglücklichsein mit einer platonischen Liebesbeziehung zu entfliehen, und sich in einen aufstrebenden, selbstbewussten jungen Mann verliebt, der eine Fluggesellschaft aufbauen will.
Da ist die Gruppe ehemaliger Kriegspiloten, die unter sich bleiben, weil sie finden, dass Frauen nur für Verwirrung sorgen und Flugzeuge so sehr lieben, dass sie als Reinigungskräfte die Toiletten in Flugzeugen säubern. Zwei Dreiecksgeschichten begegnen einander. Der Film ist sehr dramatisch und temporeich. Ein Showdown folgt dem nächsten. Zigaretten der Marke „Peace“ spielen eine wichtige Rolle. Und am Ende verlässt der Held Japan, um sich ein neues Leben aufzubauen.
Die drei Filme gehören zu den Sahnetörtchen des Festivals, und Kawashima Yuzo ist nicht zu verwechseln mit dem bekannten Gehirnjogginglehrer von Nintendo.
■ „Sun in the last days of the Shogunate“
■ „Suzaki Paradise: Red Light“
■ „Between yesterday and tomorrow“, Termine: www.berlinale.de