piwik no script img

Archiv-Artikel

Haushaltsberatungen in Bonn in Verzug

Erst Mitte des Jahres soll der Bonner Haushalt für 2005 im Rat verabschiedet werden. Dabei gibt es diesmal gar keinen Streit. Denn der kommt erst nächstes Jahr. Dann aber richtig: 200 Millionen Euro Unterdeckung drohen

BONN taz ■ Mitten im Landtagswahlkampf verhandeln in Bonn die Stadtratsfraktionen von SPD, Grünen und Bürgerbund derzeit über den Haushalt 2005. Durch die letztjährige Kommunalwahl ist man in Zeitverzug geraten. Am 30. Juni soll er verabschiedet werden. Doch richtig spannend werden erst die Verhandlungen um den Haushalt 2006.

Denn Bonn bekommt in diesem Jahr erhebliche Schlüsselzuweisungen vom Land, die eine Gewerbesteuerrückzahlung an ein Bonner Großunternehmen kompensieren. Das macht die Aufgabe in diesem Jahr für die Verhandler etwas leichter. So kann SPD-Fraktionschef Wilfried Klein stolz die „Verdoppelung der Mittel für Schulsanierung“ hervorheben. Auch in der Kinderbetreuung soll geklotzt werden: für 50 Prozent der Schulkinder und für 20 Prozent der Unterdreijährigen (bisher unter 5 Prozent) soll eine Betreuung sichergestellt werden.

Im nächsten Jahr dagegen sieht es düster aus. Da die Gewerbesteuereinnahmen sich wieder normalisieren, wird es keine Schlüsselzuweisungen des Landes geben. Dann droht ein Defizit von knapp 90 Millionen Euro, das sind 10 Prozent des gesamten Verwaltungshaushalts, die sich zusammen mit alten Schulden auf über 200 Millionen Euro Unterdeckung auftürmen werden. Kaum vorstellbar, dass die Kommunalpolitiker dafür eine Lösung finden. Sie müssen ein mehrjähriges „Haushaltssicherungskonzept“ mit dem Endziel einer schwarzen Null zustande bringen, sonst droht die faktische Fremdregierung durch den Kölner Regierungspräsidenten.

SPD-Fraktionschef Klein ist sicher, dass man das verhindern kann. Konkrete Sparvorstellungen will aber keine Ratsfraktion vor der Landtagswahl rausrücken. SPD und Bürgerbund sehen im städtischen Theater (inklusive Oper) einen großen Kostenbrocken (26 Millionen Euro), müssen aber gleichzeitig gestehen, aus bestehenden Verträgen nicht herauszukönnen. Der Bürgerbund möchte seinem Fraktionsgeschäftsführer Dirk Lahmann zufolge gerne das Beethovenorchester, sowie die Beteiligungen an der Wohnungsbaugesellschaft Vebowag und der gerade mit Köln fusionierten Sparkasse zur Disposition stellen. Die Grünen möchten im Kultur- und Sozialbereich die kleinen Förderungsempfänger zu Lasten der Großen schützen.

Der große Streit darum wird aber erst beim nächsten Haushalt ausgetragen. Jetzt legt noch niemand die Karten offen. Die FDP stimmte im Wirtschaftsausschuss bereits dem jetzigen Haushaltsentwurf mit der „projektorientierten Mehrheit“ (SPD-Klein) SPD/Grüne/Bürgerbund zu. Die CDU enthielt sich dort der Stimme. Sie erwartet, so ihr finanzpolitischer Sprecher Klaus-Peter Gilles, „Vorschläge der Verwaltung“. Er fürchtet, sonst gebe es „keine Hoffnung, 2006 klarzukommen“. Das aber will SPD-Chef Klein – im nächsten Jahr sogar mit allen. Denn das könne man „nicht mit knappen Mehrheiten stemmen“. 2006 ist nämlich Bundestagswahl.MARTIN BÖTTGER