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Archiv-Artikel

Gedenken soll brutaler werden

Konzept zum Mauergedenken umstritten: SPD fordert, die Bedrohung durch die Mauer dramatischer darzustellen. Für Senator Flierl sind „Angst und Grusel“ nicht rekonstruierbar. Finanzierung unklar

VON TINA HÜTTL

Das Konzept zum Mauergedenken von Kultursenator Thomas Flierl (PDS) bleibt umstritten. Mehr Mut und klarere Kriterien, was die Mauer für Berlin und die im Kalten Krieg geteilte Welt bedeutete, forderte gestern Konrad Jarausch, der Direktor des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung. Die Linie des Historikers stieß auf der Sitzung des Kulturausschusses bei fast allen Parteien auf Zustimmung. Selbst Flierl sprach sich für „mehr Ermutigung“ im Umgang mit den verschiedenen Gedenkorten aus. Aber ausgerechnet den entscheidenden Punkt Jarauschs, der eine „Rekonstruktion der Mauer in ihrer Bedrohung“ empfahl, lehnt der Senator ab – obwohl der Koalitionspartner SPD und die Opposition sich wünschen, dass an der von Flierl als zentral bestimmten Gedenkstätte Bernauer Straße „Emotionen und Sinne“ verstärkt angesprochen werden.

„Wenn wir nicht eine Abstimmung mit Füßen wollen“, sagte SPD-Ausschussmitglied Brigitte Lange mit Blick auf die bei Touristen beliebten, aber umstrittenen Mauerkreuze am Checkpoint Charlie, „müssen wir der der visuellen Vermittlung besser Rechnung tragen.“ Dagegen argumentierte Flierl, dass „Angst und Grusel“ nicht rekonstruierbar seien – selbst dann, wenn man an einstige Grenzorte „Hunde oder Schauspieler wie am Checkpoint Charlie“ hinstelle.

Vor einer Woche hatte der Kultursenator ein 30-seitiges „Gedenkkonzept Berliner Mauer“ vorgelegt. Zu „vage“, zu „SED-frei“, bescheinigten ihm daraufhin viele Medien, Experten und die CDU. „Sie sind nicht der richtige Gärtner für eine neue Erinnerungslandschaft“, erklärte gestern Uwe Lehmann-Brauns (CDU) in der Begründung des Antrags seiner Partei zur „öffentlichen Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte“ in Berlin. Im Gegensatz zu SPD und Grünen will die Union den Schwerpunkt des Erinnerns nicht „im Abseits an der Bernauer Straße“ setzen, wie Lehmann-Brauns sagte, sondern in Berlins Mitte. Er forderte den Senat auf, die Grundstücke am Checkpoint Charlie mit Hilfe des Bundes zu erwerben und an Ort und Stelle ein „Europäisches Freiheitsmuseum“ zu errichten.

Hinter Flierls Pläne und gegen den privaten Gedenkaltar Alexandra Hildebrandts am Checkpoint stellten sich SPD und Grüne. Beide forderten einen klaren Zeit- und Finanzplan für das weitere Vorgehen. Dazu müssten die Besitzverhältnisse von Grundstücken an der Bernauer Straße zügig geklärt werden, sagte Brigitte Lange. Flierl, der spätestens zum 31. Oktober dem Parlament ein endgültiges Gedenkkonzept vorlegen will, hat nach eigenen Aussagen bereits eine „städtebauliche Veränderungssperre“ erwirkt, damit der Ausbau des Areals weiter planbar sei. Ungeklärt ist allerdings nach wie vor, wie und wer die Gedenklandschaft finanzieren soll. Appelle an den Bund, sich an einzelnen Orten zumindest zu 50 Prozent zu beteiligen, blieben bisher ergebnislos, so der Senator.