: Soziales Profil dringend gesucht
Die PDS will auf ihrem Parteitag aus der Finanznot eine Tugend machen: Bürgerbeteiligung soll ausgleichen, was das Land und die Bezirke nicht leisten können. Doch der Leitantrag bleibt vage
von Matthias Lohre
Die PDS hat von den anderen Parteien gelernt. Ihrem Landesparteitag am kommenden Samstag hat sie den griffigen Titel „Soziale Stadt“ verpasst. Das klingt nach gesellschaftlichem Engagement, aber auch nach Wir-Gefühl und Solidarität in der heterogenen Hauptstadt.
So allumfassend wie das Parteitagsmotto ist auch der Anspruch der Genossen. Am Wochenende will sich die PDS, die derzeit in Umfragen bei 13 Prozent dümpelt, gegenüber der SPD als soziale Kraft Berlins profilieren. Auch Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner, die sich im Streit um die Hartz-IV-Umsetzung als Hüterin des sozialen Friedens versteht, soll davon profitieren. Doch der Leitantrag bleibt vage – und ist deswegen Konsens unter den Delegierten.
Im Antrag „Strategien für eine soziale und solidarische Stadtgemeinschaft“ müht sich die Hauptstadt-PDS, aus vielen verschiedenen Strömungen ein Konzept zu basteln. Da gibt es die Forderungen nach mehr Bürgerentscheiden auf Landesebene, mehr Bildungsmaßnahmen für Jugendliche, mehr Ganztagsschulen und verstärkter Zusammenarbeit zwischen Bezirken und privaten Initiativen.
Bei alledem will die Regierungspartei aus der Finanznot eine Tugend machen. Angesichts der Haushaltsmisere sollen die schrumpfenden Senatsverwaltungen Kompetenzen an die Bezirke abgeben. Als Ansprechpartner vor Ort sind sie aus PDS-Sicht besser in der Lage, öffentliche Gelder sinnvoll zu verteilen. Zielgerichtete Zahlungen, so die Hoffnung, machen „es möglich, Klein- und Kleinstunternehmen, mittelständische Betriebe sowie Existenzgründungen zu unterstützen“. Aus der Not geboren ist auch der Plan, künftig mehr bürgerschaftliches Engagement zu fördern und mit Bezirkshandeln zu koppeln. Etwa bei der Kinder-Gesundheitsförderung, an der sich auch private Initiativen beteiligen sollen. Beim Thema Integration will sich die PDS noch früher als bisher auf die Kinder konzentrieren. „Sozialarbeiter und Psychologen sollen die pädagogischen Teams verstärken.“ Woher das Geld dafür kommen soll, lässt der Leitantrag offen.
Offene Kritik leistet sich die PDS gegenüber SPD-Bildungssenator Klaus Böger. Der sorgt aus Sicht der Genossen zu wenig für kostenfreie Ganztagsschulen in sozialen Brennpunkten. Allerdings sieht die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion, Carola Bluhm, die Schlacht mit dem Bildungssenator schon als geschlagen an: „Es ist schon entschieden, welche Bezirke welches Geld bekommen.“
Bluhm sieht aber noch andere Probleme, die der PDS bei der Umsetzung ihrer Pläne von der „sozialen Stadt“ im Wege stehen. „Der Austausch von Know-how zwischen Bezirken, privaten Trägern und Schulen stockt. Jeder hat die Sorge, dass ihm EU-, Bundes- oder Landesgelder gestrichen werden könnten.“
Angesichts des Sparsenators Thilo Sarrazin sei diese Sorge manchmal auch berechtigt. Von den Ganztagsschulen erhofft sich Bluhm einen großen Beitrag zur „sozialen Stadt“: „Die Schulen könnten auch Anknüpfungspunkte für vielfältige Angebote an die Jugendlichen sein.“ Berufsberatung und Gesundheitsdienste könnten junge Menschen viel direkter erreichen als Angebote des Quartiersmanagements. Das SPD-Prestigeprojekt erscheint vielen PDSlern als zu starr.
Parteiinternen Streit sehen Genossen vor allem in einem Punkt voraus: beim Finanzausgleich zwischen wohlhabenderen und ärmeren Bezirken. „Bei der PDS Friedrichshain-Kreuzberg wird eine solche Forderung natürlich Applaus bekommen, bei der PDS Pankow aber Ablehnung ernten“, sagt der rechtspolitische Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion, Klaus Lederer.